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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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meinen Lieblingsorten, gleichermaßen Fundgrube wie ein Ort der Muße, denn kaum jemand außer mir hegte Interesse an alten Zahnrädern und derlei Plunder. Ich konnte also davon ausgehen, ungestört zu sein, während ich in den Haufen aus ausrangierten Automobilteilen und Dampfmotoren wühlte.
    Es war der Sommer meines siebzehnten Lebensjahres. Ich kann nicht behaupten, dass die vergangenen Jahre meiner Kindheit und frühen Jugend ereignislos oder langweilig gewesen wären, denn Disziplin, Gehorsamkeit und Routine hatten meine Tage ausgefüllt. Mir war es zu allen Zeiten gut ergangen, zumindest, was meine körperlichen Grundbedürfnisse betraf. Ich lebte im Perlenturm, der Heimat der Weißen Liga, jenen Soldaten, die ihr Leben dem König und unserem Land verschrieben hatten. Neben mir gab es keine Gleichaltrigen bei Hofe, seit frühester Kindheit verbrachte ich meine wenige Freizeit allein. Ich war mir meines Rufes als sozial inkompetenter Eigenbrötler durchaus bewusst, was aber nicht bedeutete, dass ich aus meiner Haut herauskam. Vater machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber meiner egozentrischen Lebensweise. Ständig wies er mich auf meine Fehler hin. Oftmals tuschelten die Leute hinter meinem Rücken, manchmal auch ganz offen. Vor allem die Lords und Ladys, die bei Hofe ein und aus gingen, lamentierten darüber, ob »der arme Junge« überhaupt für den Posten als Soldat der Weißen Liga taugte, immerhin sei ich nie zuvor auf meine Eignung hin getestet worden. In der Tat wählte die Liga ihre Kadetten für gewöhnlich sorgsam aus, unterrichtete sie auf einer eigenen Akademie. Dadurch, dass ich bereits als Säugling in die Obhut meines Ziehvaters gegeben wurde, war mein Schicksal von Beginn an vorherbestimmt. Von mir verlangte der König nicht, eine Eignungsprüfung abzulegen. Manchmal fragte ich mich, ob eine Laufbahn als Soldat der richtige Weg für mich war, doch ich behielt meine Zweifel für mich. Sicherlich stellten sich die Palastbewohner dieselbe Frage. Mir haftete der Ruf eines Sonderlings an wie dem Stallmeister der Geruch nach Pferdemist. Ich hatte mich immer bemüht, Vater zu genügen, doch es gelang mir mitnichten. Im Laufe der Zeit wurde ich zu dem, was er einen schwierigen Fall nannte. Ein Faktor, der mich immer wieder dazu trieb, meinem Ruf als Rebell Ehre zu machen, fällt in die Kategorie »schlechter Einfluss«, obwohl der Unruhestifter alles andere als gewöhnlich war …
    An jenem Sommermorgen spazierte ich gemeinsam mit meinem schlechten Einfluss durch das Hafenviertel, um zum Schrottplatz zu gelangen. Vater sah es zwar nicht gern, wenn ich mich in dieser Gegend aufhielt, jedoch unterstützte er mich weiterhin darin, ein erstklassiger Ingenieur zu werden, weshalb er meine Besuche auf dem Schrottplatz duldete. Als Kind hatte ich mich oft dagegen gewehrt, meine Übungen in Mathematik und Physik zu machen, doch steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Meine Lehrer hatten den Drill so lange aufrechterhalten, bis ich mit der Zeit sogar ehrliches Interesse an alten Motoren zeigte, und das nicht nur, um Vater zu gefallen.
    Ich schüttelte meine Haare ins Gesicht und zog die Kapuze über den Kopf. Es musste seltsam angemutet haben, dass jemand mitten im Sommer einen langen Kapuzenumhang trug, doch ich wollte heute weder von Tony, dem Drehorgelspieler, noch von Derris, dem Drogendealer, angesprochen werden. Ich war auf der Suche nach einem Zahnrad von besonderer Größe, eines der wenigen Bauteile, das mir für die Fertigstellung meines neuesten Projekts noch fehlte.
    »Lass das, du solltest dein Gesicht nicht verstecken, das hast du überhaupt nicht nötig!« Norrizz griff beherzt nach der Kapuze und zog sie mir vom Kopf.
    »Halt den Mund!« Ich schlug sie wieder nach oben, meine Haare hingen wie ein Vorhang vor meinem Gesicht. »Ich habe heute nicht das Bedürfnis, angeglotzt zu werden.« Unsere Auseinandersetzung hatte bereits die Aufmerksamkeit eines Jungen erregt, der auf der anderen Straßenseite ging und mich so unverblümt anstarrte, wie es ohne Scham nur Kinder vermochten. Er zog und zerrte an der Hand seiner Mutter, bis diese seinem Drängen nachgab und stehen blieb.
    »Mama, ist der Mann verrückt?« Ich schätzte den Jungen auf nicht älter als fünf Jahre. »Er spricht mit sich selbst.«
    Seine Mutter, eine gedrungene Menschenfrau mit einem Schürzenkleid und einem Kopftuch, warf mir einen flüchtigen Blick zu, wandte sich jedoch sogleich wieder ab, als sie bemerkte, dass

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