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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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dass Norrizz mir gefolgt war. Ich setzte meinen Weg vorbei an Wracks und Metallleichen fort, denn ich war mir sicher, wo ich das mir noch fehlende spezielle Zahnrad finden würde. Überdies fand ich noch etliche andere brauchbare Einzelteile. Nach etwa einer Stunde hatte ich meinen mitgebrachten Beutel vollgestopft mit Schrauben, Draht, Kupferblechen, Rohren und allerhand anderem Schnickschnack, den jeder als unbrauchbar bezeichnet hätte, der ihn nicht mit meinen Augen sah.
    Bevor ich mich auf den Rückweg machte, ließ ich mich auf einem Fass nieder, das umgestürzt neben einem ausrangierten Motor stand. Ich wollte möglichst viel Zeit schinden. Vater würde mich bis zum späten Nachmittag nicht vermissen, er war mit Jonnef, dem Waffenmeister, auf die Jagd gegangen. Ich streckte die Arme vor dem Körper aus, verschränkte die Finger ineinander und ließ meine Knochen knacken. Trotz des widerlichen Geruchs atmete ich tief durch. Ich genoss die Einsamkeit, auch wenn ich dank Norrizz niemals wirklich allein war. Doch an dieser Tatsache vermochte ich nichts zu ändern. Der Plagegeist blieb neben mir stehen und wartete geduldig. Er strich sich mit den Fingern durch sein langes schlohweißes Haar und sah sich um. Sein Blick fiel auf etwas, das neben dem Fass lag, auf dem ich saß. Ich wandte den Kopf zur Seite und zuckte zusammen. Neben meinen Füßen lag eine tote Ratte, das struppige braune Fell übersät mit Fliegen. Widerlich! Ich verzog das Gesicht, zeigte mit dem Finger auf den Kadaver und wartete, bis sich das gewohnte Kribbeln in meiner Hand ausbreitete. Ich gab der Ratte den stummen Befehl, sich zu erheben und ihre Verwesung an anderer Stelle fortzusetzen. Die Ratte bewegte die kleinen Füße, schlug die Augen auf und hievte ihren Körper auf die Stummelbeine. Die Fliegen stoben davon. Sie schüttelte sich einmal kurz, warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und entfernte sich ein paar Yards, um dort erneut zusammenzubrechen und reglos liegen zu bleiben.
    Ich sah Norrizz an, der die Augenbrauen hob. »Ich finde so etwas einfach nur eklig«, sagte ich, obwohl ich keinen Grund sah, mich vor ihm zu rechtfertigen. Er zuckte nur die Achseln und grinste. Norrizz wusste als Einziger um mein Geheimnis, meine seltsame Gabe, tote Wesen wiederzuerwecken. Er kannte mich so gut wie ich mich selbst, und das beunruhigte mich zuweilen. Vor Vater hätte ich es nie gewagt, von meinem außergewöhnlichen Talent Gebrauch zu machen. Einmal – ich war gerade zwölf Jahre alt geworden – hatte ich am Esstisch eine tote Fliege auf dieselbe Weise entfernt wie die Ratte. Breanor war außer sich vor Wut und hatte mich ohne Abendessen ins Bett geschickt. Er war mir die Erklärung schuldig geblieben, weshalb ihn meine sonderbare Fähigkeit so empört hatte. Magie war für mich nichts Unbekanntes, bei Hofe tummelten sich die besten Magier der Welt. Einige Soldaten der Weißen Liga waren diesbezüglich ausgebildet worden, und Myrius, des Königs Meistermagier, vermochte Dinge zu vollbringen, von denen ein einfacher Mensch nur träumen konnte. Aus diesem Grund hatte ich es als normal erachtet, mich meiner Gabe zu bedienen. Vater hatte nie wieder darüber gesprochen, und ich gab ihm fortan keine Gelegenheit mehr, sich daran zu erinnern.
    Ich erhob mich von dem Fass, nahm den prall gefüllten Beutel und richtete meinen Umhang. »Lass uns gehen, ich möchte die Teile noch heute einbauen.«
    Norrizz nickte und trottete hinter mir her, als ich mich abermals durch die Lücke im Zaun quetschte und festen Schrittes auf die Hafenpromenade zuging.
    Ich nahm einen Umweg in Kauf, denn auf dem Weg zurück zum Perlenturm entschied ich mich, die Cawtrey-Brücke, die über den Niral führte, zu benutzen. Die gigantische dampfbetriebene Zugbrücke wurde nachts hochgezogen, um Landstreicher daran zu hindern, auf direktem Weg in die Innenstadt zu gelangen. Am frühen Nachmittag benutzten sie nur wenige Menschen und Alven. Erst, wenn der Großteil von ihnen gegen Abend von der Arbeit nach Hause ging, würde dort mehr Betrieb herrschen.
    Die Brücke war ein imposantes Gebilde aus Metallrohren und Zahnrädern, ein Meisterwerk der Technik. Ehrfürchtig ließ ich meinen Blick über die Verstrebungen schweifen. Vor fast zehn Jahren hatte man mit ihrem Bau begonnen, doch erst seit drei Jahren war sie in Betrieb. Ich rutschte die Böschung zum Fluss hinunter, wo der elefantengroße Motorblock auf einem Betonklotz ruhte. Dann zog ich einen Schraubendreher aus meiner

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