Fyn - Erben des Lichts
Hosentasche und entfernte fachmännisch ein handtellergroßes Stück Kupferblech, das ich ebenfalls in meinem Beutel verschwinden ließ. Norrizz war oben geblieben und passte auf, dass sich niemand näherte. Nachdem ich nun endlich alle Bauteile zusammenhatte, machte ich mich auf den Rückweg.
Als ich durch das hohe Tor aus weißem Sandstein schritt, das den Eingang zum Anwesen des Königs markierte, warf mir der Wachtposten in seinem Häuschen nur einen gelangweilten Blick zu, grüßte aber nicht. Ich öffnete die Schließe meines Umhangs, denn die Kleidung klebte an meinem Körper. Es war ein warmer Tag, und innerhalb der Palastmauern würde ich keine Tarnung mehr benötigen.
Ich ging zum Perlenturm, der sich unmittelbar neben dem Palast befand. Hohe Bäume und wunderschöne Blumenbeete säumten den dreißig Yards hohen Turm. Die Kieswege leuchteten schneeweiß – die Farbe des Königs. Die Helligkeit blendete meine Augen, bis sie tränten. Die Kieselsteine knirschten unter meinen Sohlen, während Norrizz lautlos neben mir herging.
Der Perlenturm war die Heimat der Weißen Liga, einer militärischen Eliteeinheit, deren Aufgabe es neben der Rechtsprechung und Urteilsvollstreckung außerdem war, dem König allerhand private Wünsche zu erfüllen. Bei offiziellen Anlässen diente sie vor allem dekorativen Zwecken, aber wer glaubte, die Liga wäre ein Haufen überschätzter Weicheier, irrte gewaltig. In der Tat hatte sie sich den Begriff Eliteeinheit redlich verdient, denn es befanden sich ausgezeichnete Kämpfer und Magier in ihren Reihen. Und bald noch ein erstklassiger Ingenieur, wenn es nach Vaters Willen ging.
Ich erreichte die drei Yards hohe Flügeltür aus schwarzem Holz, eines der wenigen Dinge am und im Turm, die nicht strahlend weiß waren. Über der Tür, in einem Einlass in der Mauer, saß ein steinerner Gargoyle auf einem Sockel. Seine hässliche Visage hatte mir als Kind oftmals Angst eingejagt, mittlerweile beachtete ich ihn kaum noch. Ich griff nach dem schweren schwarzen Metallring in der Mitte der Tür und klopfte einmal. Dann trat ich einen Schritt zurück und wartete, bis der Torwächter sich regte.
Der Gargoyle erwachte zum Leben, reckte sich und knirschte mit den Gliedern, bevor er sich mir mit prüfendem Blick zuwandte. Zumindest bildete ich mir ein, dass er das tat, denn seine Augen blieben leer.
»Passwort?«, fragte er gelangweilt. Seine Stimme klang unangenehm hoch, fast wie ein quietschendes Scharnier.
»Glizzaro ss’albo.« Der alvische Begriff für weiße Ehre war seit Jahren das Passwort zum Perlenturm. Ich konnte mich nicht erinnern, dass es je geändert worden war, seit ich hier lebte. Prinzipiell war das Wort auch eher zweitrangig, denn Passwörter sind eine ziemlich uneffektive Methode, Eindringlinge fernzuhalten. Vater hatte mir erklärt, dass der Gargoyle die Stimmen der Zugangsberechtigten erkannte, eine Errungenschaft des Meistermagiers Myrius, der für den König arbeitete. Der Gargoyle nickte, setzte sich kerzengerade zurück auf seinen Sockel und bewegte sich nicht mehr.
Ich presste mich mit meinem Gewicht gegen eine Hälfte der Flügeltür, bis sie knarrend nachgab und aufschwang.
Die Eingangshalle des Turms war leer, lediglich Yeshard, den man gemeinhin als den Bastard bezeichnete, saß auf der Treppe zu den oberen Stockwerken. Er reparierte eine Verstrebung des Treppengeländers. Als ich an ihm vorbeiging, hob er den Kopf.
»Hast du wieder fette Beute in der Stadt gemacht?«
Ich blieb stehen und sah auf ihn hinab. Der Bastard sagte selten etwas zu mir, weshalb mich seine Frage verwunderte.
»Du solltest nicht ständig stehlen«, fuhr er fort. Er warf mir einen undeutbaren Blick zu.
Ich weiß nicht, weshalb ich mich provoziert fühlte und auf seine Sticheleien einging, aber ich tauschte einen kurzen Blick mit Norrizz und ging dann einen Schritt auf den Bastard zu. »Es geht dich nichts an, womit ich meine Zeit verbringe«, zischte ich ihn an.
Er saß direkt neben meinen Füßen und musste den Kopf in den Nacken legen, um mir ins Gesicht sehen zu können.
»Also hatte ich recht. Du hast gestohlen.« Er wandte sich ab und widmete sich wieder dem Treppengeländer, doch ich ließ es nicht darauf beruhen.
»Halte dich einfach aus meinem Leben heraus, und wenn du ein Wort zu Breanor darüber verlierst, wird es dir nicht bekommen.«
Der Bastard sah mich wieder an. »Willst du mir drohen? Ich rate dir, dein Temperament zu zügeln, Bürschchen. Es sollte nur ein
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