Fyn - Erben des Lichts
ich den Mund aufgemacht hatte, um dasselbe zu fragen.
Arc nickte stumm, jedenfalls bewegte er seinen Kopf in einer kantigen Bewegung auf und ab, was bei ihm gemeinhin ein menschliches Nicken imitierte.
Ylenia und ich verließen mit großen Schritten die Straße und gingen auf die Stelle zu, von der Arc behauptet hatte, dort ein Auto gesehen zu haben. Dabei achteten wir sorgsam darauf, nicht auf die Leichen zu treten.
Er hatte recht. Hinter dem Dornengebüsch schob sich ein Gefährt in unser Sichtfeld, das große Ähnlichkeit mit einem gewöhnlichen Auto aufwies, jedoch etwas futuristischer anmutete. Von der Straße aus hatte man es nicht sehen können. Sogleich erkannte ich das messingfarbene Gehäuse mit den beiden großen Dampfkesseln am Heck wieder. Es handelte sich um den Prototyp eines Flugantriebs aus den Technikschmieden von Caverny. Auch Ylenia schien es zu erkennen, denn genau wie ich hielt sie inne, verharrte in der Bewegung und zog die Augenbrauen hoch.
»Was macht das Ding hier?«, fragte sie in die Runde.
Ich erwachte aus meiner Lethargie und trat zu Arc, der direkt neben dem Auto stand und eine Hand auf die Motorhaube legte. Über sein Gesicht huschte ein Ausdruck von Stolz, wohl deshalb, weil er es entdeckt hatte. Ich stutzte, denn mir war nie aufgefallen, dass Arc sich etwas aus Lob und Tadel machte. Der Technoid überraschte mich nahezu jeden Tag mit neuen menschlichen Eigenschaften. Vielleicht tat ihm der geografische und geistige Abstand zum Perlenturm ebenso gut wie mir.
Ich ging einmal um das Gefährt herum. Als ich am Fahrgastraum vorbeikam, stieß ich unwillkürlich einen kurzen Schrei aus, für den ich mich sogleich schämte. Ylenia machte einen Satz auf mich zu, auch ihr Blick fiel auf die Sitzbank. Es verschaffte mir zumindest ein wenig Genugtuung, dass sie in derselben Weise darauf reagierte wie ich. Sie zuckte zusammen und stieß einen Laut der Überraschung aus.
Auf dem Fahrersitz befand sich eine Person. Obwohl der Kopf mitsamt Haaren von Blut verklebt und verkrustet war, erkannte ich den blonden Alvenschopf und die spitz zulaufenden Ohren des Mannes. Er saß vornübergebeugt, das Kinn auf die Brust gelegt. Ich näherte mich mit einem beträchtlichen Ekelgefühl. Verwesungsgestank wehte mir entgegen, und als ich nur noch zwei Schritte von ihm entfernt stand, scheuchte ich eine Traube Fliegen auf. Übelkeit überkam mich. Ich wäre vermutlich kein guter Soldat geworden. Trotzdem zwang ich mich, die Leiche genauer zu betrachten. Hinter mir kommentierte Ylenia die Szene mit wiederholten Bekundungen ihres Abscheus. »Das ist furchtbar!« Ihre Stimme klang gepresst, als hielte sie sich die Nase zu. »Der ist schon seit Wochen tot.«
In diesem Punkt pflichtete ich ihr bei. Obwohl sich das aufgedunsene Fleisch an zahlreichen Stellen von der entstellten Leiche löste, verrieten mir charakteristische Details die Identität des Mannes. Reste seines Schnurrbarts klebten noch im Gesicht, zudem erkannte ich den Hut, der neben dem Auto im Gras lag.
»Das ist Mr. Tesmer«, sagte ich und trat einen Schritt zurück, um frische Luft in meine Lungen zu saugen. »Aber was macht er hier im Norden?«
»Ist doch egal«, presste Ylenia hervor, noch immer hielt sie sich die Nase zu. »Ich will ihn nicht mehr sehen.« Sie wandte sich ab.
»Wir sollten zusehen, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen«, räumte ich ein.
Gerade, als wir uns anschickten, zurück zur Straße zu gehen, vernahm ich Arcs Stimme hinter mir. »Es sind noch Briketts im Kofferraum. Wäre es nicht sinnvoll, mit dem Auto weiterzufahren?«
Arc, pragmatisch wie immer, machte uns diesen nüchternen Vorschlag, weil er objektiv betrachtet durchaus Sinn machte.
»Und wie bekommen wir die Leiche vom Sitz?«, fragte Ylenia. Sie klang aufgebracht.
»Wenn wir Tesmer vom Sitz schaffen und der Geruch nicht allzu unerträglich ist, würdest du es in Erwägung ziehen?« Auch ich war nicht erpicht darauf, in einem Auto zu reisen, in dem ein Mensch gestorben war, doch ebenso wenig gefiel mir der Gedanke, ein funktionsfähiges Fahrzeug ungenutzt zurückzulassen.
»Ich werde diese Leiche nicht berühren«, sagte Ylenia im Brustton der Überzeugung. »Mach du es doch, wenn du glaubst, es zu können. Ha! Ausgerechnet du, wo du dich vor allem ekelst, das nicht hygienisch rein ist.« Sie blies die Wangen auf, wie sie es immer tat, wenn ihr etwas missfiel. »Lass es doch den Technoiden tun. Er kann nachsehen, ob man das Auto nach Entfernung
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