Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
Vom Netzwerk:
hart, aber wir könnten es schaffen. Wir bauen eigenes Gemüse an, und vielleicht könnten wir in einem größeren Dorf Geld verdienen. Wir sollten darüber nachdenken.«
    Ylenia atmete tief ein und stieß die Luft als leisen Seufzer wieder aus. Sie hörte damit auf, mir über den Oberarm zu streicheln. Hatte ich etwas Falsches gesagt?
    »Ich möchte nicht hierbleiben«, sagte sie schließlich, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern, aber dennoch lag Entschlossenheit darin. »Wir können irgendwann hierher zurückkehren, aber ich bin noch nicht am Ziel meiner Reise.«
    »Was ist denn das Ziel deiner Reise?« Wieder eine kurze Pause, die mich allmählich nervös machte.
    »Ich wünsche mir, noch vor dem Winter die Dunkelheit zu sehen. Aus nächster Nähe. Das ist schon mein Wunsch, seit ich ein kleines Mädchen bin.«
    »Weshalb?« Unbehagen stieg in mir auf, wenn ich an die magische schwarze Wand unbekannter Herkunft dachte, über die man sich so viele Schauermärchen erzählte. Ich sehnte mich keineswegs danach, derart weit in den Norden zu reisen.
    »Ich will es nun einmal. Punkt. Ich weiß nicht, weshalb.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. Ich hatte den Eindruck, Ylenia wusste selbst nicht, wovon sie sprach. »Würdest du mir diesen Traum erfüllen? Danach können wir zurückkommen, noch vor dem Winter.«
    Groll stieg in mir auf. Ich wollte nicht erneut losziehen, wieder in eine unbekannte Zukunft hinein. Andererseits liebte ich Ylenia. Konnte ich ihr einen Wunsch abschlagen? Ich seufzte. »Falls ich zustimmen sollte, was käme danach? Du hast meine Frage nach einer längerfristigen Zukunft noch nicht beantwortet.«
    »Muss ich mich denn unbedingt heute schon festlegen?« Ylenia klang gereizt. Ich ließ ihre Frage unbeantwortet, und ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen uns aus. »Denkst du manchmal daran, nach Elvar zurückzukehren, um Rache zu üben?«
    Ylenias plötzlicher Themenwechsel irritierte mich. »Ich denke jeden Tag an Rache, aber es bleibt vorerst ein Wunschtraum. Du selbst hast es mir doch ausgeredet, weil ich allein keine Chance gegen die Liga hätte.«
    Ich konnte Ylenias Gesicht nicht sehen, weil ihr Kopf seitlich auf meiner Brust lag, aber ich spürte, wie sie den Mund zu einem breiten Lächeln verzog. »Das war, bevor ich wusste, dass du über schwarze Magie gebietest.«
    Ich knurrte. »Ich kann überhaupt nichts, außer leblose Hüllen für einige Augenblicke zum Leben zu erwecken. Wie sollte mir das gegen die Weiße Liga helfen? Und jetzt Schluss mit dem Unfug.«
    Bevor sich Ärger in mir ausbreiten konnte, gab ich Ylenia mit meinem harschen Tonfall zu verstehen, dass ich nicht mehr darüber sprechen wollte. Ihr Kopf schien voll mit den unrealistischen Flausen eines kleinen Mädchens zu sein. Ich liebte sie für ihre ungezwungene Art, aber manchmal brachte sie mich damit zur Weißglut. Am meisten ärgerte mich jedoch meine Nachgiebigkeit. Sie würde sich durchsetzen und die Dunkelheit zu sehen bekommen, daran bestand kein Zweifel.

Wir blieben noch drei Tage in unserer Hütte, ehe wir die Rucksäcke packten und die Tür hinter uns schlossen. Wehmut ergriff mich, aber ich tröstete mich mit der Hoffnung, irgendwann zurückzukommen, wenn Ylenia ihre Neugier befriedigt und die Dunkelheit gesehen hatte. Wir kehrten Vencey den Rücken und fuhren mit Mr. Tesmers Automobil weiter Richtung Norden. Ich tat es als unliebsame Urlaubsreise ab, etwas, das hoffentlich bald ein Ende finden würde. Ich wünschte mir bereits nach einer halben Stunde die Rückkehr herbei, schluckte meinen Unmut jedoch hinunter. Nur Ylenia zuliebe unternahm ich den Ausflug und hoffte, sie würde es zu schätzen wissen.
    Nach weiteren fünf Tagen und Nächten erreichten wir den Celwas, den Fluss, der offiziell als das Ende besiedelter Gebiete bekannt war. Ich hielt es für ein Gerücht, ebenso wie es eine Mär war, dass der Celwas ein reißender Strom wäre, der jeden verschlang, der ihn zu überqueren versuchte. In Wahrheit war der Celwas ein seicht dahinplätscherndes Bächlein, das wir sogar mit unserem Auto durchfahren konnten. Wir rasteten an seinem Ufer, wuschen uns ausgiebig im kalten, klaren Wasser und verbrachten dort eine Nacht in glückseligem Schweigen.
    Am Tag fingen wir Fische oder jagten kleineres Getier, das wir abends über einem heimeligen Feuer brieten. Wir sammelten köstliche Beeren oder gruben nach Wurzeln, die unser kärgliches Mahl verfeinerten. Wir säuberten die wenige Kleidung, die

Weitere Kostenlose Bücher