Fyn - Erben des Lichts
einen Stich.
Ich ließ mich auf den Stuhl fallen und zwang mein Herz, langsamer zu schlagen. Es war doch nur ein dämliches Modell, versuchte ich mir einzureden. Nur ein Modell! Ein Glück, dass es nicht mein wirklich wichtiges Projekt erwischt hatte, andernfalls wären mein Besuch auf dem Schrottplatz und die monatelange Planungsphase umsonst gewesen. Apropos … Wo war das Teil überhaupt? Wie von der Tarantel gestochen sprang ich von meinem Stuhl auf und warf mich auf den Boden. Ich zog meinen Schatz vorsichtig unter dem Bett hervor. Da war sie – die Perfektion, nach der ich mein Leben lang strebte. Ich strich mit den Fingern darüber. Stolz und Zufriedenheit verdrängte meine Wut. Ein Meisterwerk, ein Prachtstück!
Als ich hörte, wie jemand die Klinke meiner Tür betätigte, zuckte ich zusammen. Ich konnte die Armbrust nicht schnell genug unter meinem Bett verschwinden lassen, deshalb setzte ich mich davor, um sie vor Blicken abzuschirmen. Erwartungsvoll starrte ich auf die Tür und harrte der Dinge, die da kommen würden. Ein Schwall heißen Bluts schoss mir in den Kopf. Ich hatte mir bereits eine Ausrede zurechtgelegt, als ich sah, wie sich ein mechanischer Arm durch den Türspalt schob, gefolgt von einem blassen Gesicht mit noch blasseren Augen. Erleichterung machte sich breit.
»Arc, komm herein und schließ die Tür schnell hinter dir.« Der Technoid tat wie befohlen. Er war mir ein guter Freund, auch wenn es ihm bisweilen an menschlichen Zügen mangelte.
»Was ist das?« Er deutete auf meinen Schatz, den ich nur unzureichend mit meinem Leib verdeckte.
»Das ist eine Armbrust. Ich habe die herkömmliche Technik jedoch weiterentwickelt. Damit schieße ich auf zweihundert Yards das Gesicht des Königs von einer Münze.« Ich klopfte mir auf die Brust. Mein Ärger von vorhin war verflogen.
»Weiß Meister Breanor davon?«, fragte Arc emotionslos. Ich hatte nicht erwartet, dass er mir begeistert gratulierte, er war in erster Linie eben nur eine Maschine, die sich zufällig mit mir unterhalten konnte.
»Ich wollte sie ihm erst vorführen, wenn sie fertig ist. Heute habe ich die letzten Teile auf dem Schrottplatz gesammelt. Ich hoffe, dass ihm meine Arbeit gefallen wird.«
Arc sah mich mit leeren Augen an. »Das wird sie bestimmt. Er ist stolz auf dich.«
Ich seufzte und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Da bin ich mir nicht so sicher. Ich darf mir keine Fehler erlauben. Er findet immer etwas, das ich nicht richtig gemacht habe.«
Den Rest des Nachmittags verbrachten Arc und ich damit, die letzten Teile in die Waffe einzubauen. Arc war mir diesbezüglich eine große Hilfe. Er murrte nie und tat bedingungslos, was ich von ihm verlangte. Er half mir sogar, wenn er gerade mit einer anderen Aufgabe beschäftigt war, was Vater manchmal zur Weißglut brachte. Arc war eine Halbmaschine, dazu erschaffen, seinen Meistern zu dienen. Nur leider schien auch er nicht gänzlich willenlos zu sein, denn er bevorzugte Befehle von mir. Ich genoss seine bedingungslose Loyalität, war er doch der Einzige, der sich überhaupt für das interessierte, was ich tat.
Als es dämmerte, setzte ich das letzte Zahnrad ein und zog die letzte Schraube fest. Leider bemerkte ich erst jetzt, dass die Waffe so, wie ich sie gebaut hatte, niemals meinen Ansprüchen genügen würde. Mir fehlte ein entscheidendes Teil, ein Firmaraldiopter, ohne den es mir kaum möglich sein würde, präzise zu zielen. Wie hatte ich das bloß vergessen können? Mein verärgertes Knurren veranlasste Arc, mich verwundert anzusehen. Ich wusste, wo ich einen solchen Diopter finden würde, doch wollte ich dafür wirklich riskieren, mir eine Menge Ärger einzuhandeln? Mein Entschluss stand schnell fest. Ich wollte nicht mehrere Monate an der Armbrust gearbeitet haben, wenn das Ergebnis nicht absolut perfekt sein würde. Natürlich war die Armbrust auch ohne diesen speziellen Diopter funktionstüchtig, aber mit halben Sachen gab ich mich nie zufrieden. Ich erklärte Arc, dass ich noch einmal wegmüsste und dass er nicht auf mich zu warten brauchte.
Als die Sonne vollständig untergegangen war, machte ich mich auf den Weg ins oberste Stockwerk des Perlenturms. Ich kam öfter hierher, um von dort auf die verwahrloste Dachterrasse zu gelangen, die schon seit Jahrzehnten kein Gärtner mehr pflegte. Anfangs hatte ich versucht, etwas Ordnung zu schaffen, indem ich Unkraut zupfte oder Töpfe mit gestohlenen Blumen aus den Vorgärten des Königs dort platzierte,
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