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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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packte. Dann verlassen mich meine Erinnerungen, wieder einmal klafft an dieser Stelle ein Loch. Ich kann beim besten Willen nichts darüber berichten, wie unsere Unterhaltung endete und wie ich es geschafft habe, das Vectioletus fertigzustellen. Mir fehlen ein halber Tag und eine ganze Nacht in meinem Gedächtnis. Ich muss beim Abendessen gewesen sein, auch muss ich das Vectioletus bei Jonnef abgegeben haben, aber ich kann mich nicht daran erinnern. Erst als ich am nächsten Morgen auf dem Exerzierplatz hinter dem Haupthaus stand, inmitten der anderen Schüler, schärft sich das Bild wieder.
    Das Vectioletus klemmte unter Jonnefs Arm. Mit einem Wink bedeutete er uns, ihm zu folgen. Er ging zu dem kleinen Schießstand am Rand der Insel nahe den Klippen. Wir Schüler blieben in einigem Abstand stehen und starrten gebannt auf unseren Lehrer, der die Waffe auf einem kleinen steinernen Sockel positionierte und ausrichtete. Seine Augen leuchteten vor Stolz. Ich hingegen fühlte mich, als sei ich soeben erst aus einem Traum aufgewacht. Orientierungslosigkeit ergriff von mir Besitz. Wie kam ich hierher? Sekunden zuvor hatte ich doch noch mit Norrizz in meiner Hütte gestritten. Übelkeit stieg in mir auf. Ich musste wieder einmal die Besinnung verloren haben. Norrizz schien nach Gutdünken über meinen Körper verfügen zu können, was mich nicht nur wütend machte, sondern mir auch mächtig Angst einjagte. Hatte ich ihn jahrelang lediglich als lästig empfunden, wurde mir nun bewusst, dass er eine echte Bedrohung darstellte. Vielleicht sollte ich mich jemandem anvertrauen. Aber wer würde mir glauben? Die meisten Bewohner des Perlenturms hielten mich ohnehin für verrückt. Meine Karriere als ruhmreicher Soldat stand auf dem Spiel. Vermutlich war es genau das, was Norrizz bezweckte. Aus irgendeinem Grund wollte er meine Pläne durchkreuzen.
    Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Jonnef in die Hände klatschte. »Nun werden wir sehen, ob ich euch das Vectioletus doch noch vorführen kann. Fyn hat mir heute Morgen beim Frühstück noch versichert, rechtzeitig fertig zu werden. Lieber knapp als nie.« Sein Blick blieb auf mir haften. Er lächelte. »Ich bin Fynrizz sehr dankbar für seinen Einsatz. Ohne ihn wäre die Vorstellung ins Wasser gefallen. Möchte jemand von euch einmal probieren, die Waffe zu bedienen?«
    Ich hätte mich liebend gern gemeldet, doch weder meine Arme noch mein Mund wollten sich bewegen, und so war es Per, das als Erstes die Hand in die Höhe riss.
    Wie in Trance beobachtete ich, wie er mit geschwellter Brust an den Schießstand trat und sich von Jonnef erklären ließ, wie man den Mechanismus spannte und auslöste. Obwohl ich mich an den vergangenen Nachmittag nicht erinnern konnte, sagte mir ein ungutes Bauchgefühl, dass etwas nicht stimmte. Der tadellos gekleidete Per griff nach dem Spannhebel und warf einen Blick in die Runde, um sich zu vergewissern, dass jeder ihm zusah. Mit einem selbstgefälligen Grinsen löste er den Mechanismus aus. Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, gefolgt von einem gleißend hellen Licht. Ich hatte kaum Gelegenheit zu begreifen, was geschah. Ich musste einige Schritte zurückgetaumelt sein, denn als mein Verstand allmählich wieder einsetzte, fand ich mich auf dem Boden liegend etwa fünf Yards vom Schießstand entfernt wieder. Mein Kopf schmerzte, ein heller Ton pfiff mir in den Ohren. Für die Dauer einiger Atemzüge regte ich mich nicht. Bis auf das stetig tosende Meer, das sich gegen die schroffen Felsen warf, vernahm ich keine Geräusche. Jemand packte mich am Revers meines Mantels und riss meinen Oberkörper empor. Erst dachte ich, mir wollte jemand aufhelfen, doch der Schlag in mein Gesicht belehrte mich eines Besseren. Mein Kopf schien zu bersten, ich sah alles verschwommen. Ein zweiter Schlag traf mich auf die Wange.
    »Du Arschloch! Du bestialisches Monster«, schrie mich jemand an. Er schüttelte mich, bis ich mich beinahe übergeben hätte. Dann hörte ich eine andere, weibliche Stimme. »Galren! Lass ihn in Ruhe!« Sie klang fast verzweifelt. Mein Peiniger ließ von mir ab. Nur sehr langsam schärfte sich das Bild vor meinen Augen, aber es gefiel mir ganz und gar nicht. Dort, wo das Vectioletus gestanden hatte, befand sich nur noch ein unansehnlicher, verschmolzener Klumpen, aus dem Rauchschwaden aufstiegen, ringsherum schwarz verrußte Flecken auf dem Felsen. Daneben lag ein lebloser Körper, den ich kaum als Per identifiziert hätte, wenn ich ihn

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