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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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kam gern heim, denn dort konnte ich mich zurückziehen und für eine Weile meine Sorgen vergessen.
    Heute war einer der seltenen Tage, an dem ich in den Turm zurückkehrte, obwohl es sich nicht um den zweiten Siebttag des Monats handelte, an dem es mir offiziell erlaubt gewesen wäre. Vater hatte mich außerplanmäßig herzitiert, weil er eine Aufgabe für mich habe, so der Bote. Dass er mich mitten aus dem Magieunterricht gerissen hatte, war einer Entspannung der Beziehungen zu meinen Mitschülern nicht gerade zuträglich. Myrius’ Gesicht erinnerte in diesem Moment an eine vertrocknete Zitrone. Jedenfalls hatte ich bereitwillig meinen Stift fallen gelassen und war dem Boten zum Perlenturm gefolgt.
    Er führte mich geradewegs zu Breanors Privatgemächern, was in mir einiges Unbehagen auslöste. Nur drei Mal zuvor hatte ich diese Räumlichkeiten betreten, und keiner dieser Vorfälle war mir in positiver Erinnerung geblieben. Zweimal hatte Vater mich in seine Räume rufen lassen, um mir eine Tracht Prügel zu verpassen, und einmal hatte ich mich aus Neugier hineingeschlichen, was ebenfalls mit Ärger endete.
    Der Bote verabschiedete sich vor der Tür und wies mich mit einer Handbewegung an einzutreten. Ich klopfte an die dunkle Eichentür. Als niemand antwortete, öffnete ich sie einen Spaltbreit. Gedämpftes Licht drang aus dem Inneren des Raumes.
    »Komm herein, seit wann bist du so zögerlich?« Ich versuchte anhand seines Tonfalls zu erschließen, in welcher Stimmung Breanor sich befand, doch ich konnte weder Ärger noch Freude heraushören.
    Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir. Obwohl ich seit Jahren nicht mehr hier gewesen war, erkannte ich die Räumlichkeiten sofort wieder, weder an der Einrichtung noch am Geruch schien sich etwas geändert zu haben. Es roch nach Pergament und Tinte.
    Vater saß auf einem Sessel, dessen geschmackloses Blumenmuster eher dem Einrichtungsgeschmack des Königs als dem seinen entsprach. In der Mitte des Raums dominierte ein wuchtiger dunkler Schreibtisch, auf dem allerhand Papier, Federhalter, Werkzeug und anderer Krempel verstreut lagen. Breanor war Wissenschaftler, und er entsprach gemeinhin dem Klischee vom chaotischen Genie. Ich musste den Impuls unterdrücken, zum Tisch zu stürzen und die unordentlich darauf verteilten Dinge zu sortieren, doch dann fiel mein Blick auf die seltsame Glaskugel, die ich schon einmal im Arbeitszimmer gesehen hatte und mit der ich keine guten Erinnerungen verband. Breanor bemerkte meinen entsetzten Gesichtsausdruck und lächelte.
    »Setz dich«, sagte er und deutete auf einen zweiten Sessel, der seinem gegenüberstand. Ich gehorchte und setzte mich stocksteif und kerzengerade auf die vordere Kante der Sitzfläche, mein Blick zuckte immer wieder nervös zu der Kugel auf dem Schreibtisch.
    Breanor bemerkte es. »Was du dort siehst, ist eine sehr effektive Waffe. Du hast bereits Bekanntschaft mit ihr gemacht.« Seine Stimme klang angenehm sanft, und so beruhigte ich mich alsbald wieder. Er vermittelte nicht den Eindruck, mich aus einem unangenehmen Grund hergerufen zu haben.
    »Du fragst dich sicher, weshalb ich dich aus dem Unterricht reiße«, fuhr er fort und strich sich durch den Vollbart, wie er es immer tat, wenn er nachdachte oder sich eine Antwort zurechtlegte. Ich nickte stumm.
    »Fyn, du musst etwas für mich erledigen, das leider keinen Aufschub duldet.« Er sah mich mit ernster Miene an. Mir fiel zum ersten Mal auf, wie alt er geworden war. Feine Linien zogen sich über sein Gesicht, an den dunkelblonden Schläfen schimmerten graue Strähnen. Dessen ungeachtet war er ein attraktiver Mann, ein muskulöser und Respekt einflößender Soldat der Weißen Liga. Ich hatte ihn immer um seinen Status bewundert.
    »Arc scheint defekt zu sein, jedenfalls fällt er ständig in eine Art Starre.« Breanor machte eine Pause und verzog das Gesicht, als hätte er mir gerade etwas Schändliches erzählt. »Ich kann es mir nicht erklären, manchmal kippt er einfach um, als sei er ohnmächtig. Dabei brauche ich ihn dringend für einen Einsatz in der Stadt.«
    Ich entließ die Luft aus meinen Lungen, die sich vor Anspannung dort gesammelt hatte. Arc zu reparieren, war keine mühevolle Angelegenheit, und es erfüllte mich mit Stolz, dass Vater meine Hilfe anscheinend für unentbehrlich befand. Gerade nach meinem Fauxpas mit dem Vectioletus hatte ich nicht geglaubt, jemals wieder etwas reparieren zu dürfen. Eine Woge der Erleichterung durchflutete

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