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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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würdest!«
    Meine Ohren liefen rot an und ich beschleunigte meine Schritte. Ich nahm an, dass die Dame unter Drogeneinfluss stand, denn für gewöhnlich ließen die Straßenhuren keine Gelegenheit verstreichen, Menschen und Alven gleichermaßen in billige Stundenhotels zu locken. Dennoch beschlich mich ein ungutes Gefühl, denn für einen Morgen an einem gewöhnlichen Werktag war es erschreckend ruhig in den Straßen.
    Ich empfand Erleichterung, als ich ohne weitere Zwischenfälle den Schrottplatz erreichte und mich durch die Lücke im Zaun drängte. Die Anspannung fiel von mir ab, und ich vertiefte mich voll und ganz in meine Suche nach einem passenden Bauteil für das Vectioletus. Mein Herz machte vor Freude einen Sprung, als ich tatsächlich das passende Teil fand und es in meiner Manteltasche versenkte. Fünf Goldene gespart! Ha!
    Da ich wenig Lust verspürte, mich jetzt schon auf den Rückweg zur Akademie zu begeben, beschloss ich, trotz des Regens noch ein wenig zu verweilen. Ich ging ein paar Schritte und blieb jäh wie angewurzelt stehen. Auch wenn ich noch nie zuvor eine gesehen hatte – eine Leiche ist etwas Unverkennbares. Keine fünf Yards von mir entfernt lag der verdrehte Körper eines Alven, bei dem man sich die Mühe sparen konnte nachzusehen, ob er noch lebte. Ich starrte wie gebannt auf den grausam zugerichteten Körper hinab. Es handelte sich um die Leiche eines Mannes, etwa in mittleren Jahren. Seine blonden Haare waren blutverschmiert und verkrustet, sein Gesicht zu einer im Schmerz verzerrten Grimasse verzogen. Eines seiner Augen hatte man ihm ausgestochen, die Gliedmaßen standen in einem unnatürlichen Winkel von seinem Körper ab. Der Kleidung nach zu urteilen, stammte er aus besseren Kreisen. In seinem Bauch klaffte ein riesiges Loch. Weil sich jedoch keine Blutlache unter ihm gebildet hatte, nahm ich an, dass man ihn woanders getötet und dann hierher gebracht hatte. Welcher wohlhabende Alve —mit Ausnahme von mir – würde sich schon freiwillig in eine derart verkommene Gegend wagen?
    Viel mehr als der Anblick der Leiche schockierte mich meine mangelnde Anteilnahme. Ich empfand kein Entsetzen. Einfühlungsvermögen zählte nicht zu meinen Stärken, aber meine Kaltherzigkeit verwunderte mich nun doch. Ich beschloss, mich von ihm abzuwenden, zurück zur Akademie zu gehen und so zu tun, als hätte ich nichts bemerkt. Sollten sich doch die Polizei und die Liga um den Fall kümmern. Ich wollte nichts damit zu tun haben, zumal ich dann hätte zugeben müssen, auf dem Schrottplatz gewesen zu sein. Niemand wusste von meinen heimlichen Besuchen, außerdem dachte ich an die fünf Goldenen in meiner Hosentasche, die ich wieder hätte abgeben müssen, wenn ich zugab, umsonst an das Bauteil herangekommen zu sein. Nein. Ich würde Stillschweigen bewahren.
    Ich reparierte das Vectioletus noch am selben Nachmittag, während die anderen Schüler bei Myrius über ihren Magieaufgaben brüteten. Den Leichenfund verbannte ich aus meinen Gedanken und lenkte mich mit Dingen ab, die mich mit Freude erfüllten. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft auf der Insel erfüllte mich Zufriedenheit, denn ich durfte an einer Waffe herumbasteln – so ließ es sich leben.
    Mein Glück wäre perfekt gewesen, wenn Norrizz mich nicht wieder einmal mit seiner Anwesenheit belästigt hätte.
    »Weshalb tust du nicht immer nur das, was du willst?« Er sprach mit unverminderter Lautstärke in die Stille hinein, als ich mich gerade über die Waffe beugte, um eine Verkabelung zu befestigen. Ich zuckte zusammen, fuhr herum und warf dem weißhaarigen Ebenbild meiner selbst einen hasserfüllten Blick zu. Er saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf meinem Bett.
    »Kannst du nicht einfach verschwinden und dahin zurückgehen, wo du hergekommen bist?«, keifte ich ihn an.
    Norrizz legte den Kopf schief, als müsste er über meine Worte nachdenken. »Und damit zulassen, dass sie aus dir einen verweichlichten Hampelmann machen? Weshalb lässt du dir den ganzen Mist überhaupt gefallen?« Er sprang vom Bett auf und kam zu meinem Tisch herüber. Ich hatte ihn selten so außer sich erlebt. »Die Akademie ist nichts als ein Witz, das weißt du ebenso gut wie ich. Du lässt dich zum Affen machen, weil es dein Vater von dir verlangt.« Er klopfte mit den Fingerknöcheln gegen meine Stirn. »Aufwachen! Entwickle endlich ein Selbstbewusstsein! Immer muss ich alles für dich tun.«
    Ich wollte gerade widersprechen, als mich ein Schwindelanfall

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