Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
penetranter Gestank nach Parfüm und Schweiß, versetzt mit etwas, das ich nicht einordnen konnte.
Gerüche, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gab, drangen in meine Nase. Ich brauchte etwas Zeit, doch dann konnte ich schnell einige Gegenstände identifizieren. Ich roch Plastik, sehr viel Kunststoff und den starken, beißenden Geruch von Metall. Ich roch das Bett und das Sofa, welches staubig und flauschig meine Sinne kitzelte und ich roch Papier, Karton und die Folien aus unserem Diddlealbum.
Ich atmete tief ein und wieder aus. Immer und immer wieder und jedes Mal trug die Luft neue Gerüche an mich heran. Langsam bildete sich in meinem Kopf ein Bild von unserem Zimmer. Aber nicht mit Gegenständen, sondern aus Gerüchen. Ich wusste, wo was stand, konnte es mit den Düften in Verbindung bringen und einordnen. Doch da waren noch zwei fremde Gerüche, die mich aber nicht erschreckten.
In diesen Gerüchen pulsierte Leben und zwar in meiner unmittelbaren Umgebung. Das eine Lebewesen versprühte zudem den einerseits stinkenden, andererseits erfreulichen Duft von Angst. Der andere Duft war… mütterlich .
Ich schlug die Augen auf und blickte direkt in das Gesicht meiner Mutter. Ich wusste nicht, woher ich diese Erkenntnis nahm, denn tatsächlich fixierten mich zwei Wolfsaugen, die in einem großen Wolfsschädel gebettet waren, welcher an einem massigen Wolfskörper hing.
Ich zuckte zusammen, als ich eine Berührung spürte, die keine war. Innerlich und auch wieder nicht innerlich, berührte mich die Stimme meiner Mutter. Sie klang sanft und war klar und deutlich von den ganzen Hintergrundgeräuschen, die auf mich einprasselten, zu unterscheiden.
„Alles in Ordnung, meine Kleine?“ Mein Mamawolf fuhr mit ihrer Zunge über mein Fell an Hals und Kopf, was ein behagliches Gefühl in mir auslöste.
„Tu einfach so, als würdest du in Gedanken zu mir sprechen.“, erklärte meine Mutter, ohne ihr Lecken zu unterbrechen.
„H… hörst du mich?“ versuchte ich es, indem ich meine Stimme im Kopf nachahmte. Ich hörte sie und mir wurde bewusst, dass sie zitterte.
„Gut gemacht, Fynia. Komm, steh auf.“ Die Stimme meiner Mutter klang liebevoll aber bestimmt. Es schien, als würde sie sie extra in ihrem Kopf so modellieren.
„Versuch mal deine Schwester zu erreichen.“, wies sie mich an, als ich zitternd auf die Beine kam.
Ich sah meine Schwester an, die schon aufrecht neben Mama stand.
Ich suchte in meinem Kopf nach einer Möglichkeit zu Luna zu sprechen, da spürte ich wieder eine Berührung. Es war, als würde jemand an meine Gedanken anklopfen. Mama klopfte jeden Winkel meiner Gedanken ab, sodass ich ein Gefühl für dessen Ausmaße bekam. Nach einer Weile schaffte ich es sie zu bewegen, wie einen Arm, von dem man nicht wusste, dass er existierte. Ich tastete umher, wenn man es so nenne konnte und stolperte über die Gedanken meiner Mutter und dann über Luna.
Sie fühlten sich unterschiedlich an. Ich konnte nur erkennen, dass sie da waren und dass sie intelligent waren, aber nicht hören, was sie dachten.
Ich konzentrierte mich auf Lunas Gedanken, die bläulich, irgendwie harmonisch klingend im Raum zu schweben schienen.
„Luna?“
„Fynia?“, antwortete die Stimme meiner Schwester laut. Sie klang unkontrolliert, zittrig und schwankte in der Betonung.
„Gut gemacht, ihr beiden.“, lobte unsere Mutter uns. Erneut nahm ich einen Duft wahr und bemerkte, dass es Luna ebenso ging. Unsere Mutter verströmte plötzlich einen angenehmen Duft, der nach Wärme roch. Klingt seltsam, aber Wärme hatte einen eigenen Duft. Er war emotional, geladen und weich zugleich.
„Nun versucht euch zurück zu verwandeln. Schaut in euch hinein. Ihr könnt dort eine kleine Gestalt finden. Das seid ihr, das ist eure menschliche Hülle, versucht sie anzuziehen.“ Noch immer wirkte Mamas Stimme modelliert, aber liebevoll, sehr betont, wie, als spräche sie in Wirklichkeit zu uns.
Ich schloss die Augen und versuchte in meinem Innern etwas zu erkennen. Dort war es wirr und ich sah Panik. Aber schnell entdeckte ich eine kleine in sich zusammengesunkene Gestalt. Sie wirkte verängstigt und strömte denselben Geruch aus, wie Luna vorhin.
Fast schon liebevoll griff ich nach dem kümmerlichen Ding, zog es zu mir, in meine Arme, wollte es trösten, bis ich bemerkte, dass ich es selbst war. Als hätte ich noch nie etwas anderes getan, vereinigte sich diese Gestalt, die ich und doch wieder nicht ich war mit
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