Fynia - wo die Schafe sterben gehen (Fantasy-Roman) (German Edition)
mir.
Mein Körper wurde größer, zog sich in die Länge, die Haare gingen leicht kribbelnd zurück und nach wenigen Sekunden waren alle Sinneseindrücke auf ein Minimum reduziert. Ich fühlte mich seltsam beschnitten und hilflos. Als ich aufblickte, sah ich Lunas Rückverwandlung, wie sie dabei hinfiel und am Boden ein Mensch wurde. Und ich sah Mamas Rückverwandlung, sehr elegant, geübt und wunderschön.
Luna und ich waren nackt. Unsere Kleider hatten wir im Verlauf der Verwandlung am Boden zurück gelassen, aber Mama hatte alle Sachen an.
„Wieso…?“, fragte ich und deutete sprachlos auf ihren Körper.
Mama blickte an sich hinunter. Sie verstand sofort die unausgesprochene Frage.
„Das lernst du auch noch, sowas muss man üben.“
Ich sah Luna vielsagend an, während sie sich hochrappelte.
„Zieht euch an Mädchen, wir müssen zur Ältesten Rhuni gehen.“ Mama schenkte uns noch ein Lächeln, bevor sie das Kinderzimmer verließ. Ich sah wieder zu Luna, welche bleich im Gesicht und etwas unsicher wirkte.
„Krass.“, sagte sie nur mit schwacher Stimme, aber ich hörte den Anflug eines Lachens.
Unsere Mutter brachte Luna und mich mit dem Fahrrad in das Dorf. Wir wohnten etwas außerhalb, aber für das Auto war die Strecke zu kurz. Wir fuhren brav hinter ihr. Obwohl wir die Strecke kannten und nicht unerfahren waren, hielten wir uns im Hintergrund. Die Übelkeit war zwar verschwunden, doch das eben Erlebte steckte uns noch in den Knochen.
Ich war mit meinen Gedanken ganz bei mir. Immer und immer wieder tauchten einzelne Szenen aus dem Kinderzimmer in mir auf. Wie Luna sich wand und gleichzeitig, wie es sich für mich anfühlte seine Gestalt, das, was einem bis dahin unumstößlich erschien, zu verlieren.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich die Gefühle der Verwandlung noch einmal durchlebte. Aber es fühlte sich nicht schlecht an, eher wie eine Aufregung, kurz bevor einem etwas Tolles passiert. Ich fragte mich, wie sehr das mein Leben wohl beeinflussen würde und was meine Freundinnen in der Schule zu diesem Kunststückchen sagen würden.
Issi würde bestimmt ausflippen und um mich herum hüpfen und ihr immerwährendes Lachen zu mir schicken. Das wäre schön zu sehen.
Aber dann wanderten meine Gedanken zur Dorfkapelle und ich bekam Angst. Ich wusste nicht genau wieso, doch ich fragte mich, was genau mich dort erwarten würde und welche Regelen wir auferlegt bekommen könnten. Ich war zwar noch jung, aber ich wusste, wie der Hase lief. Wenn einem in dieser Welt etwas Tolles, Neues und Aufregendes passierte, dann wurden gleich ein paar Regeln dafür aus dem Hut gezaubert.
Rhuni war, eigentlich wie immer, in der Dorfkapelle anzutreffen. Hier versammelten sich die Kurenai, um bestimmte Feste zu feiern oder um Gottesdienst zu halten.
Wir betraten schweigend das Gebäude. Eigentlich wirkte sie gar nicht wie eine Kapelle sich so auf Bildern darstellte. Es war mehr ein Gemeindehaus mit einer kirchlichen Ecke.
Der Innenraum war ein einziger, riesengroßer, runder Raum, welcher im Zentrum von einer großen Statue geschmückt wurde. Diese Statue war alles, was wir von unserer Göttin noch hatten. Nicht mal ein Name war übrig geblieben. Mama sagte immer, wenn wir danach fragten, dass man den Namen der Göttin nicht aussprechen durfte, weil er heilig war.
Die Statue, welche imposant platziert in der Mitte des Raumes aufragte und über alles zu wachen schien, was hier passierte, sah eigentlich ziemlich verkrüppelt aus. Nur wenn man ganz genau hinschaute, konnte man weibliche Merkmale wie Brüste oder breite Hüften erkennen. Ein Kopf war auch nicht vorhanden, aber die Reste des langen, wallenden Haares waren noch auf der Statue zu erkennen. Die Beine und Arme waren abgeschlagen und die ehemals wohl ausladenden Rundungen nur noch ein schwacher Schatten ehemaligen Glanzes.
Mama brachte uns in den hinteren Bereich der Kapelle. Dort verbrachte Rhuni die meisten Stunden des Tages, meistens begleitet von ein oder zwei Kapellendienern. Meistens waren es Frauen, aber seit einiger Zeit hatten sich ein paar Männer einen Posten erkämpft.
„Älteste Rhuni, ich bringe dir meine Töchter.“ Mama sprach die Älteste sanft aber bestimmt an. Rhuni, die gerade in einem Buch las, sah auf. Ihr Gesicht war hart und durchzogen von Falten, als habe ein ungnädiges Leben sie gezeichnet. Doch hinter dieser Fassade konnte ich mir gut vorstellen, dass sie in ihrer Jugend einmal bildhübsch gewesen
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