Fyrgar - Volk Des Feuers
entwickeln konnte, frei von ihm. Schließlich musste sie eines Tages ohne ihn auskommen.
Eírtiti stieß ein begeistertes Kichern aus, dann bezwang sie sich und setzte eine ernste Miene auf. »Entschuldige, Vater, ich werde dir nicht mehr ins Wort fallen.«
»Du solltest in Sicherheit aufwachsen«, fuhr Aldavinur fort, als habe es die Unterbrechung nicht gegeben. »Hier in Valia bist du deiner Heimat sehr fern, niemand hat je von dir erfahren. Denn der Annatai befürchtet, dass das, was die Seuche ausgelöst hat, immer noch im Schlafenden Vulkan ruht und auf seine Stunde wartet. Er hat ein besseres Gespür als wir und sieht einen Schatten. Ich hege ähnliche Gedanken, denn das Schwert ist nicht geheilt.«
»Also habt ihr angenommen, dass ich genauso benutzt werden könnte wie Efrynn, sollten die Schattenweber zurückkehren?« Eine nüchterne Schlussfolgerung, Eírtitis Gesicht war ausdruckslos. Sie war in diesem Moment wie er. So wie er früher gewesen war.
»Benutzt, ja«, antwortete er. »Das würde auf dich zutreffen, auf Efrynn aber nicht. Er hatte diese dunkle Seite von Anfang an in sich, und er war der Erlöser für die Schattenweber. Doch du ... du bist anders. Du darfst dem Feind niemals in die Hände fallen. Denn ... denn ...«
»Bitte sag es mir, Dádá!« Erschrocken hielt Eírtiti inne, als sie sah, dass ihr Vater weinte.
»Dádá ... so kenne ich dich gar nicht ...« Sie ergriff seinen Arm und drückte sich an ihn. Sie liebte ihn sehr, das wusste er. Viel zu sehr. Er musste sie darauf vorbereiten, dass sie sich würden trennen müssen. Nicht nur, weil es nicht die Art der Fyrgar war, so eng verbunden zu bleiben, sondern ... weil nun ihr eigener Weg begann, an dem er nicht teilhaben konnte.
»Du hättest es sein sollen, nicht Efrynn«, flüsterte er. Er sah seine Tochter voller Schmerz an. »Du bist die Hoffnung der Fyrgar, Eírtiti, und deswegen muss ich dich zu deinem Volk bringen!«
»A-aber wie könnte denn ich ...«, stammelte sie verwirrt.
»Weil ich als Erster mit Wissen geboren wurde!«, brach es aus ihm heraus.
Seine Tochter zuckte zusammen, sie wich unsicher vor ihm zurück, als seine Gestalt für einen Augenblick flackerte und riesige, katzenhafte Umrisse annahm.
Aldavinur wandte sich ab und presste die Fäuste gegen die Schläfen, um sich wieder zu fassen. »Niemand hat es je gewusst«, offenbarte er gebrochen.
»Vater.« Eírtiti trat zu ihm, legte ihm die Hand auf den Arm. Er spürte ihre Wärme, ihre Liebe, die ihn wie ein Leben spendender Fluss durchströmte. »Erzähl es mir.«
»Ich wurde auf dem Gipfel des Wolkenreiters geboren, an einem eisigen Tag im hohen Winter. Ab dem Zeitpunkt meiner Geburt erwachte das Wissen meines Volkes in mir, noch bevor ich durch das Feuer gegangen war.
Meine Eltern hatten weitab im Westen gelebt, auf verschiedenen Bergen, doch eines Tages verspürten sie das Verlangen, sich zu den Lieblichen Höhen aufzumachen, um das Sonnwendfest zu begehen. Auf dem Weg begegneten sie einander zum ersten Mal und begriffen, dass es Fügung war, die sie zusammenführte. Zumeist werden Kinder gezeugt, wenn ein Fyrgar stirbt, damit das Gleichgewicht erhalten bleibt. Es kommt nicht oft vor, dass einer von uns stirbt, doch für jeden von uns schließt sich früher oder später der Kreis. Die Zahl unseres Volkes ist immer ungefähr gleich, sie gilt als harmonisch.«
»Die Zwei ...«
»Ja. Zwei: zwei ERSTE GEDANKEN, Tag und Nacht, Feuer und Wasser, Luft und Erde, Sand und Zeit. Mann und Frau. Unser Volk umfasst stets etwa zweitausend Baikus. Da wir alle durch ein starkes Band miteinander verbunden sind, nimmt es nicht Wunder, dass meine Eltern sich auf den Weg machten, sich begegneten und erkannten, dass sie unterwegs waren, um gemeinsam durch das Feuer zu gehen und neues Leben zu zeugen. Sie gehörten zusammen, waren Harmonie, und so entstand ich. Als meine Mutter erkannte, dass die Geburt bevorstand, begab sie sich auf den Wolkenreiter. Mein Vater begleitete sie. Und Lúvenors Licht fiel über sie, als sie oben im flammenden Eis ankamen.
Ich kam zu Bewusstsein, als ich in Lúvenors Licht eintrat, doch ich war nicht mehr als ein hilfloser Säugling in der Kälte und in der dünnen Luft, nur spärliches Fell bedeckte meinen Körper. Ich erblickte meine Eltern im Eisfeuer, ich sah sie brennen, aber blau, nicht rot. Sie sahen mich an, und ich sah sie an. Sie wussten, dass ich sie erkannte, doch ich begriff nicht, was mit ihnen vor sich ging. Heute nehme ich an,
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