Fyrgar - Volk Des Feuers
sofort, als er durch den Pass kam, und rotteten sich zusammen. Um ihn zu begrüßen oder um ihn zu verjagen? Er würde es nie herausfinden, denn er begann sofort mit seinem Werk. Dem Ersten, der in seine Nähe kam, entriss er das Baiku, noch bevor der begriff, was mit ihm geschah. Obwohl er sehr schnell war, rote und gelbe Federn, ein scharfer Schnabel. Wie leblos sank er zu Boden, nur mehr eine atmende, aber leere Hülle.
Ungeahnte Kräfte durchströmten ihn, und wilde Erregung erfasste ihn. In rasender Gier stürzte er sich auf die anderen und wütete unter ihnen. Und sie hatten keinerlei Chance, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen.
Er nahm ihnen zwar nicht das Leben, aber ohne ihr Baiku waren sie trotzdem so gut wie tot, sie besaßen kein Bewusstsein mehr und stürzten alle zu Boden, um sich nie wieder zu rühren. Sie vergingen nicht, sondern verharrten in unbeweglicher Starre, vielleicht bis ans Ende aller Zeit, wenn sie keine Erlösung fanden. Lebende Tote. Nichts konnte grausamer sein, nicht einmal der Glasbann.
Aber was kümmerte es ihn? Nur die Baikus gaben ihm genug Kraft für das, was er vorhatte.
Befriedigt verließ er das Tal, kehrte zurück in die Stille und stieg auf den Wolkenreiter hinauf, sammelte unterwegs an Nahrung ein, was erfinden konnte.
Kalte, dünne Luft umwehte ihn, als er den eisflammenden Gipfel erreichte, und er hörte den Misston in den Sphären, als die dort oben seiner ansichtig wurden. Er stellte sich aufrecht hin und verhöhnte sie. Sie konnten ihn niemals erreichen, sie konnten nichts tun gegen das, was er vorhatte. Sie zürnten ihm mit Blitz und Donner und Schneesturm, doch er lachte nur.
Jetzt fehlte lediglich noch eines: Das Feuer. Geschaffen von dem Einen, der ihm die Vollkommenheit bringen würde.
Satt und zufrieden rollte er sich im Schutz eines Felsens zusammen. Alles war, wie es sein sollte. Nun war er bereit.
»Er wird kommen«, flüsterte er. »Ich kann warten.«
Irgendwann gaben Alrydis und Aldavinur ihre Heimlichkeiten auf. Die Harmonie zwischen ihnen, die sich über die Jahre entwickelt hatte, konnte nicht verborgen bleiben, vor allem, da beide mit der Zeit ausgeglichener und heiterer wurden. Schließlich bezogen sie ein gemeinsames Schlafgemach, wenngleich sie tagsüber immer noch zumeist getrennte Wege gingen. Die Jahre vergingen schnell und hinterließen ihre Erinnerungen in Aldavinurs Haar, bis es silberweiß geworden war.
Eírtiti wuchs zu einer wunderschönen jungen Frau heran, mit langen schwarzroten Haaren, goldfarbener Samthaut und einem schmalen Gesicht, das von zwei außergewöhnlich schönen, braungrün gemaserten Augen beherrscht wurde. Ihre Pupillen waren leicht länglich, aber nicht ganz so schlitzförmig wie bei ihren Eltern. »Irgendwie ein bisschen wölfisch«, bemerkte einmal eine Magd, doch sie meinte es nicht abwertend. Aber es war der Beweis, dass Eírtiti trotz ihrer menschlichen Sterblichkeit zu den Fyrgar gehörte. Darüber sprach Aldavinur jedoch nie; es war ein wohlbehütetes Geheimnis.
Selbst Reisende aus Luvgar erkannten ihn nicht. Und das war kein Wunder, nachdem er keine Rüstung mehr trug und gealtert war. Vielleicht hätten seine Augen ihn verraten können, aber kaum jemand bekam Gelegenheit, sie bewusst wahrzunehmen. Ab und zu brachten Reisende Nachricht aus den anderen Ländern, und wie es aussah, erholte Luvgar sich langsam von der Verwüstung. Die Flammenritter halfen beim Aufbau, und Zuran stand einer jungen Adligen als Berater zur Seite, die eine Verwandte des Geschlechts derer von Barastie war und sich plötzlich als Fürstin auf dem Thron sah. Nach und nach erholten sich Land und Menschen. Noch immer gab es zwar Kranke, die unter den Nachwirkungen der Seuche zu leiden hatten, doch die Aussichten auf Heilung waren gut; nur sehr wenige Schwermütige gaben sich auf. Aldavinur war nach seinem Verschwinden zur Legende geworden und wurde besungen, und auch um Nefreta rankten sich viele neue Geschichten. Sie wurden jedoch nie in einen Zusammenhang gebracht, und das war beruhigend. So ahnte nie jemand von Eírtitis Herkunft.
Jeder, der sie zum ersten Mal sah, begriff allerdings, dass Eírtiti ein ganz besonderes Wesen war. Ihre Aura umgab sie wie ein Glanz, vor allem, wenn sie lachte - und sie lachte viel. Die Menschen verziehen ihr deshalb ihr großes Wissen, das sie als Kind manchmal allzu altklug offenbarte, und sie war sehr beliebt und überall wohlgelitten. Als sie zur Frau heranreifte, kamen nicht nur ihre Freundinnen
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