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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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und presste das Ohr gegen das Holz der Tür. auf dem Gang war nichts zu hören. Dann – wieder ein Knarren! Sie hatte sich nicht getäuscht. Das musste die Tür der Burschenkammer gewesen sein. Die Stimmen, die sie erwartet hatte, blieben aber aus.
    Enttäuscht und frierend kroch das Mädchen zurück unter die Bettdecke. Tränen brannten ihr in den augen. Sie wollte nicht weinen und unterdrückte ein Schluchzen. Doch die angst ließ sich nicht bezwingen. Wo waren ihre beiden Brüder? ›Lieber Gott, beschütze sie‹, dachte anna Maria und faltete die Hände zum Gebet.
     
    Vier Brüder hatte sie, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Jakob war der Älteste, vier Jahre älter als sie selbst, und stets ruhig und besonnen. ›Vermutlich kann er deshalb so gut mit Pferden umgehen‹, dachte anna Maria. Niemals wurde seine
Stimme laut, seine Worte nie böse oder gehässig. Er wusste alles über Pferde, und sein Geschick mit den Vierbeinern brachte ihm so manche Bewunderung der alten Bauern des Dorfes ein. Nur vom Vater hörte er selten ein lobendes Wort.
    Anna Marias Gedanken wanderten zu Peter, und sogleich entspannte ein Lächeln ihr vor angst verkniffenes Gesicht. Peter, der Zweitgeborene, war anna Marias Lieblingsbruder. Ein unsichtbares Band schien sie mit ihm zu verbinden. Sie spürte, wenn Peter Kummer hatte, und er wusste ohne Worte, wann er sie aufmuntern musste. auf ihn konnte sie sich verlassen – das stand außer Frage. aber jetzt war er da draußen und suchte nach Matthias, und sie konnte nichts tun, als darauf zu hoffen, dass beide bald unversehrt zurückkehren würden.
    Es fiel anna Maria schwer, ihre Gedanken zu ordnen. Zu sehr lenkte die angst sie ab. Sie versuchte sich einzureden, dass sie sich ihre Furcht nur einbildete. Mit geschlossenen augen hörte sie in sich hinein. Doch da war sie, die angst, die ihr die Luft zum atmen nahm. Etwas war geschehen, und sie wusste, dass ihre Sinne sie nicht täuschten.
    »O Gott, was soll ich tun?«, flüsterte das Mädchen und presste die Hände vors Gesicht. anna Maria wollte weinen, schreien, toben. Doch stattdessen kroch sie tiefer unter die Bettdecke. Mit weit aufgerissenen augen starrte sie in die Dunkelheit des Zimmers.
    ›Hoffentlich sind Peter und Matthias zusammen‹, schoss es ihr dann durch den Kopf. Da sie wusste, dass sich ihr ein Jahr jüngerer Bruder Mattias mit seinem ungestümen Wesen oft in Schwierigkeiten brachte, hoffte sie, dass Peter nun bei ihm war und achtgab, dass er keine Dummheiten machte. Stur und rechthaberisch, wie Matthias war, provozierte er so manchen Streit. Stets hatte er das letzte Wort und ließ schnell, viel zu schnell, seine Fäuste sprechen. Trotzdem fühlte sich anna Maria auch ihm verbunden und hätte alles für ihn getan, wenn er
in Not geriete. Doch heute war die Schwester machtlos. Nichts konnte sie tun, obwohl sie das Gefühl nicht loswurde, dass beide Brüder in Gefahr waren.
     
    Wieder lauschte anna Maria angestrengt, doch kein Geräusch drang in die Schlafstube. Lange würde sie den Schlaf nicht mehr abwehren können. Mit vor Müdigkeit brennenden augen versuchte sie wach zu bleiben und dachte an ihren jüngsten Bruder.
    Nikolaus war das Küken der Familie und wurde von den Geschwistern verhätschelt, was er schamlos ausnutzte. anna Maria hatte früh Pflichten übernehmen müssen, die Schwestern kleiner Brüder zufallen. Doch je älter Nikolaus wurde, desto weniger duldete er ihre anordnungen. Immer öfter begehrte er auf und erklärte ihr mit zorniger Miene: »Du bist nicht meine Mutter! Du hast mir nichts zu sagen!« Mit einer Ohrfeige wies anna Maria ihn dann zurecht, sodass für einige Zeit Ruhe herrschte.
    Anna Maria lachte leise auf, als sie an die wütenden Blicke ihres kleinen Bruders dachte. Seine blauen augen schienen dann noch heller zu leuchten.
    Dieses helle Blau, das ihr Vater immer stolz das »Hofmeister-Blau« nannte, hatten alle Hofmeister-Kinder geerbt. Ihre Brüder hatten auch alle das dunkelblonde Haar des Vaters, nur anna Marias Haar, das glatt über ihre Schulter fiel, war von außergewöhnlichem Sonnengelb. Frisch gewaschen, glänzte es wie flüssiger Honig. Niemand in der Familie war mit solch wundervoller Haarpracht gesegnet. Deswegen hatte sich die Mutter manch dumme Bemerkung anhören müssen. Doch die durch und durch blauen augen des Mädchens bewiesen dem Vater stets, dass anna Maria seine Tochter war.
     
    Anna Maria merkte nicht, wie sie einschlief. Langsam fielen ihr die

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