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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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seiner Frau, die ein Schluchzen
kaum unterdrücken konnte. Er hielt kurz inne, nahm sie zur Seite, sodass Peter das Gespräch nicht verstehen konnte. Dann sprach er mit gedämpfter Stimme: »Elisabeth, die Pfeilspitze ist verdreckt, vielleicht sogar mit Mist verseucht. Ich weiß, was das für unseren Sohn bedeuten kann, denn ich habe schon viele solche Verletzungen gesehen. auch die Folgen kenne ich. Der Pfeil sitzt im Knochen fest, ich muss ihn also herausziehen und vergrößere so durch die Widerhaken an der Spitze das Eintrittsloch. Wenn ich ihm die Wunde nicht ausbrenne, stirbt er in wenigen Tagen an Wundfieber. In der Glasflasche aber ist ein Mittel, das ich von einer meiner Wallfahrten mitgebracht habe und das ihn tief schlafen lassen wird, sodass ich die Wunde versorgen kann.«
    Mit vor Schreck großen augen hatten anna Maria und Matthias dem Vater zugehört. Beide waren kreidebleich. Matthias begann zu zittern, und anna Maria legte beruhigend eine Hand auf seinen arm, denn sie ahnte, dass ihr Bruder sich schuldig fühlte.
    Zweifelnd sah die Mutter zu Peter. als dieser laut aufstöhnte, nickte sie und sagte zu ihrem Mann: »Daniel, tu, was du tun musst. Wenn’s nur dem Buben hilft!«
    Vorsichtig versuchte der alte Hofmeister seinen verletzten Sohn zur Seite zu drehen, damit die Mutter ihm Schluck für Schluck die Schnapsmischung einflößen konnte. Hustend wollte der Junge das scharfe Getränk wieder ausspucken, doch der Vater zischte: »Trink!«
    Peter gehorchte. als er den Becher geleert hatte, schnappte er keuchend nach Luft. Seine augen tränten. Schleim tropfte aus seinem Mund. Dann sackte sein Kopf nach vorne. Der Vater nickte und drehte den Verletzten zurück auf den Bauch. Er steckte das Messer zwischen die glühenden Kohlen und wartete, bis das Metall der Klinge sich erwärmte und hellgelb zu leuchten begann.

    »Halt deinem Bruder beide arme fest, Matthias, und du, anna Maria, das eine Bein, Elisabeth, du das andere. Doch zuerst lasst uns für Peter beten.«
    Alle vier schlossen die augen und murmelten kaum hörbar ein Gebet. als der Vater ein lautes »amen!« sprach, blickten die anderen fragend auf. Er nickte. Daniel Hofmeister holte tief Luft, legte die Zange an und zog mit einem gewaltigen Ruck die Pfeilspitze aus dem Fleisch seines Sohnes. Ein hässliches Geräusch war zu hören, als die Spitze mit dem Widerhaken den Muskel zerriss. Blut floss in einem feinen Rinnsal den Rücken des Jungen hinab. Trotz des Gebräus, das der Vater seinem Sohn zu trinken gegeben hatte, schrie Peter. Er bäumte sich so heftig auf, dass die Mutter sein Bein nicht mehr festhalten konnte. Es schnellte zur Seite und erwischte den Vater am Oberschenkel. Hofmeister fluchte und presste seinen Sohn mit der Kraft seines Oberkörpers auf den Tisch zurück. Mit dem Knie drückte er dem Jungen aufs Gesäß, mit der Hand hielt er ihm den Mund zu. Peter versuchte mit den armen um sich zu schlagen. Doch Matthias hielt seine Handgelenke fest.
    »Elisabeth, tropf das Mittel aus der Glasflasche in den Becher bis ich halt sage. Dann füll Schnaps dazu«, keuchte Hofmeister.
    »Aber …«
    »Tu es einfach«, schrie er. Schweiß rann ihm in die augen, und sein Kopf war hochrot.
    Mit zitternden Fingern tat die Frau, was ihr Mann verlangte. Hofmeister zählte leise.
    »Halt!«, brüllte er, und noch ehe Elisabeth die Tropfen mit Schnaps verrühren konnte, befahl ihr Mann. »Her damit!«
    Der Vater ließ Peters Gesäß los und nahm den Becher. Peter hatte die Kraft verlassen. Erschöpft lag er auf dem Tisch und stöhnte.
    Wieder drehte Hofmeister den Jungen auf die Seite und flößte ihm die Tropfen ein. Peter wehrte sich nicht. Nach wenigen
Schlucken entspannte sich sein Körper, und Hofmeister ließ von seinem Sohn ab. Erschöpft wischte er sich über das Gesicht.
    »Ich hoffe, dass die Betäubung jetzt ausreicht! Ihr könnt ihn einen augenblick loslassen.«
    Damit Hofmeister die Wunde besser sehen konnte, wusch er mit einem feuchten Lappen vorsichtig das Blut von der Haut. Dann hob er die augenlider des Sohnes.
    »Ich glaube, er wird nichts spüren. Es ist aber besser, wenn ihr ihn nochmals festhaltet. Wird er wach, packt ihr kräftig zu.«
    Anna Maria sah die Tränen, die der Mutter über die Wangen liefen. Ihrem Vater stand wieder Schweiß auf der Stirn, und Matthias war blass. Ihr wurde schwarz vor den augen, als der Vater das Messer aus den Kohlen zog. Er klopfte die Scheide zweimal gegen die Steinwand. Funken stoben auf. Dann

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