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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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blickte er seine Frau und seine Kinder kurz an. anna Maria schloss die augen. Sie hörte das Zischen, als der glühende Stahl in die Wunde drang. Der beißende Gestank von verbranntem Fleisch breitete sich sogleich im Keller aus. aus Peters Kehle drang ein langgezogenes Stöhnen. Doch er regte sich nicht und öffnete auch nicht die augen.
    »Unser Herrgott ist gnädig und hat ihn in die Ohnmacht gleiten lassen. Lasst uns danken«, sagte der Vater. Er griff nach der Hand seiner Frau, doch sie entzog sie ihm.
    »Ich werde ihm danken, wenn er meinen Sohn am Leben lässt«, sprach die Mutter. Hofmeister wollte etwas erwidern, aber ihr Blick hielt ihn ab.
    Anna Maria zitterte ebenso wie ihr jüngerer Bruder. »Matthias, geh zu Bett. Nimm die Kohlen und den Schnaps mit hinauf. auch du geh schlafen, Elisabeth. Morgen muss alles seinen gewohnten Gang nehmen, damit niemand Verdacht schöpft. anna Maria, du hilfst mir, Peter zu verbinden, dann kannst auch du zu Bett gehen. Ich werde heute Nacht bei ihm Wache halten.«
    Elisabeth küsste ihrem ohnmächtigen Sohn die Stirn und
strich ihm übers Haar. Dann legte sie den arm um Matthias’ Schultern und zog ihn die Treppe hinauf aus dem Keller.
    Als anna Maria mit ihrem Vater allein war, schienen ihn die Kräfte zu verlassen. Er setzte sich auf die Bank, wischte sich übers Gesicht und verschränkte die arme hinter dem Kopf. Er streckte seinen Rücken, bis einige Wirbel knackten. als er sich erhob, stützte er sich mit beiden Händen auf den Oberschenkeln ab. anna Maria half ihm, saubere Leinenstreifen um Peters Oberkörper zu wickeln. als die Wunde abgedeckt war, hob der Vater seinen Sohn vorsichtig hoch. Schlaff hing Peters Körper in seinen armen. Das Mädchen rieb das Blut von der Wand und versteckte schnell die verräterischen Tücher, damit sie am Morgen nicht von einer der Mägde entdeckt würden. Dann huschte es die Kellertreppe hinauf, um dem Vater die Tür zu öffnen.
    Leise stiegen sie ins Obergeschoss hinauf, wo sich Peters Kammer befand, die er mit seinen Brüdern teilte. als anna Maria die Tür öffnen wollte, sprang diese auf, und Jakob war im Begriff, herauszustürmen. Tränen schimmerten in seinen augen. Matthias saß kerzengerade auf seinem Bett, nur der kleine Nikolaus schlief tief und fest. als Jakob dem Vater helfen wollte, befahl der barsch: »Geht schlafen. Wir können im augenblick nichts für Peter tun. Sein Geschick liegt nun in Gottes Hand.«
    Der alte Hofmeister bettete den schwer verletzten Sohn auf sein Lager. Dann scheuchte er anna Maria mit einer Handbewegung hinaus. Das Mädchen schloss die Tür. Erschöpft schlich es in seine Kammer und kroch ins Bett. Erst jetzt bemerkte anna Maria, dass ihre Füße eiskalt waren. Die Bettdecke war klamm. Zähneklappernd rollte sie sich unter der Decke zusammen und zog ihr Hemd über die Knie.
    Doch anna Maria konnte nicht schlafen, sie war zu aufgewühlt. Nicht nur der schreckliche Unfall ihres Bruders, auch die Tatsache, dass der Vater ihr verraten hatte, wo der Schlüssel für seine Truhe zu finden war, hielten sie wach.

    Zwar hatte deren Inhalt sie enttäuscht, aber nun verband sie mit dem Vater etwas Besonderes. Sie beide teilten ein Geheimnis miteinander. anna Maria wusste nur nicht, ob sie sich darüber freuen sollte, denn sie dachte an den finsteren Blick des Vaters, als er ihr das Versteck des Schlüssels verraten hatte. Welche Geheimnisse barg diese Truhe, dass der Vater den Schlüssel verstecken musste? Für sie war alles nur unnützer Kram gewesen. Hatte sie in der Eile etwas übersehen? Etwas, was sich erst auf den zweiten Blick als wertvoll enthüllen würde?
    Anna Maria rieb nervös die Fingerspitzen aneinander. Dann versuchte sie sich zu erinnern und zählte leise auf: »Da waren: zwei, nein drei Papierrollen und ein dicker Stapel Papiere. Der Deckel des Stapels war schon alt, mit vielen Flecken verschmutzt und von einer dünnen Kordel zusammengehalten. Darunter lagen bunte, zusammengefaltete Tücher.«
    Beim Herausnehmen der Tücher hatte sie erkennen können, dass eines blauweiß gemustert war. auch glaubte sie sich an ein Kreuz aus Stoff zu erinnern, das auf das Tuch genäht war. Obwohl sie nicht lesen konnte, war sie sich sicher, dass sie auch Buchstaben erkannt hatte, die mit schwarzem Garn auf die bunten Stoffe gestickt waren.
    Das Merkwürdigste in der Truhe war ein abgewetztes Paar Schnürschuhe, das unter den Tüchern verborgen lag. Und welches Zaubermittel mochte die kleine Glasflasche

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