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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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sich nichts ändern«, behauptete ein dritter Bauer.
    »Ich schimpfe ja auch nicht gegen Gott, sondern nur gegen den adel. Ist es Gottes Wille, dass die hohen Herren uns ausbeuten dürfen? Ich spare und spare, um endlich einen ablassbrief für die Seele meines Bruders kaufen zu können. Ihr wisst doch, dass sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem
Fegefeuer springt. Siegfrieds Seele soll nicht länger Höllenqualen erleiden, nur weil er selbst Hand an sich gelegt hat.« Betretenes Schweigen machte sich breit.
    »Woher weißt du, dass Siegfrieds Seele wegen eines Stücks Papier tatsächlich in den Himmel fahren wird?«
    »Halt’s Maul, Hofmeister! Wer hat dich gefragt? Du hast so viele Wallfahrten unternommen, dass es für uns alle reichen würde«, presste der Bauer hervor. »Ich aber kann mir das nicht leisten und werde sicher erst vor meinem eigenen Tod meinen Bruder aus dem Fegefeuer befreien können.«
    Hofmeister ließ sich jedoch nicht einschüchtern, sondern erklärte ruhig: »Martin Luther sagt, dass allein durch die Gnade Jesu und nicht durch Geld unsere Sünden vergeben werden.«
    »Du predigst ja selbst wie dieser Mönch. Doch ich sage dir, dass Luther ein Ketzer ist und brennen wird!«, warf ein Bauer aus Schalodenbach wütend ein.
    »Woher willst du das wissen?«, forderte Hofmeister den Schalodenbacher heraus, der mit den Schultern zuckte und mürrisch erwiderte: »Er soll mit dem Kirchenbann belegt worden sein. Das habe ich jedenfalls gehört.«
    Dann sagte ein Bauer, in dessen Gesicht eine grobporige dicke Nase prangte: »Dieser Luther soll nach Worms kommen.«
    »Woher weißt du das, Heini?«, wollte der Wirt wissen.
    Heini Ratgeb sah sich unsicher in der Runde um. auch wenn man sich seit Kindertagen kannte, herrschte Misstrauen untereinander. Es war bekannt, dass manch einer den Nachbarn ausspionierte, um beim Grundherrn gut dazustehen und so vielleicht seine abgaben zu mindern. Jeder war sich selbst der Nächste. Heute schien es anders zu sein, denn der Bauer fuhr fort: »Dieser Tage kam ein Wanderprediger zu mir auf den Hof, um für sein Pferd Heu zu erbitten, was ich ihm nicht verwehrte. außerdem bat ich ihn an meinen Tisch. Er war sehr dürr, und seine Lippen waren blau gefroren.«

    Anerkennend nickten ihm einige Bauern zu. Sie hatten selbst kaum zu essen, und wenn jemand das Wenige, das er hatte, teilte, dann war das ehrbar.
    »Ich fragte ihn, woher er käme und wohin er wolle. Und da sagte er mir, dass er unterwegs nach Worms sei, denn Luther sei aufgefordert worden, auf dem Reichstag zu erscheinen, um seine Lehren zu widerrufen.«
    »Welche Lehren?«, fragte ein Mehlbacher.
    »Das wollte ich auch wissen, und so zeigte er mir zwei Büchlein. Das eine hieß ›Freiheit des Christen‹, und das andere war an den christlichen adel gerichtet.«
    Neugierig rückten die Männer näher zusammen. Doch statt noch mehr zu berichten, schwieg der Bauer jetzt. Hofmeisters Gedanken hingegen schwirrten hin und her. Seit langem beschäftigte er sich mit Luther und dessen Lehren, kannte auch einige seiner Schriften.
    ›Jetzt war Luther also nach Worms befohlen worden? Warum nicht nach Rom?‹, überlegte er.
    Dann hörte er den Bauer Eckhart leise fragen: »War das alles, Heini? Ihr müsst doch noch mehr gesprochen haben als diese wenigen Sätze.«
    Heini Ratgeb rieb sich mit der Handfläche über seine dicke Nase, als jucke sie ihn. Erst nachdem er sich vergewissert hatte, dass kein Fremder in der Wirtsstube hockte, zog er unter seinem Kittel einen zusammengefalteten Zettel hervor. Plötzlich herrschte Stille im Schankraum. Kaum einer wagte hörbar zu atmen. Ratgeb faltete das Blatt vorsichtig auseinander und strich es mit der Handfläche glatt. In verschnörkelten Lettern waren Wörter mit dunkler Tinte auf den gelblichen Untergrund geschrieben worden.
    Ein verhaltenes »Hm« war zu hören, dann fragte einer der Männer: »Und, was steht in dem Brief?«
    Erwartungsvoll sahen alle Ratgeb an, doch der zuckte mit
den Schultern und sagte: »So genau weiß ich das nicht. Der Wanderprediger hat es für mich aufgeschrieben. Er hat es zwar auch vorgelesen, aber ich kann es nicht so wiedergeben. Es soll aus Luthers Buch über die Christenmenschen sein.«
    »Wir sollten es verbrennen! Nicht dass die Ketzerworte uns verzaubern!«
    Plötzlich sprachen alle aufgeregt durcheinander, was mit dem Schriftstück geschehen sollte.
    »Es nutzt uns nichts – im Gegenteil! Es kann uns in Teufels Küche bringen!«

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