Gabe der Jungfrau
Johannes nickte. Die anderen stimmten zu, und man bestellte Kohl und warmen Würzwein.
Das Weib schlurfte herbei und stellte jedem einen Becher hin. Bereits nach dem ersten Schluck schimpften die Burschen, dass der Wein verwässert sei.
»Wenn es euch nicht schmeckt, dann geht, aber vergesst nicht zu zahlen!«, zischte die alte zwischen ihren faulen Zahnstummeln und ging zurück zu ihrem Platz.
Der Wirt kam aus der Küche mit einem Brett, auf dem sechs Holzschüsseln mit gedünstetem Kohl standen. als er das Brett auf den Tisch stellte, fragte Michael. »Wo ist das Brot?«
»Gibt es keines!«, war die knappe antwort. Die Burschen meckerten, nur Hauser blieb ruhig und sagte mit ernster Miene: »Gott grüße dich, Gesell, was hast du für ein Wesen?«
Der Dicke blickte ohne Regung zu ihm hin und erwiderte: »Der arm’ Mann in der Welt mag nit mehr genesen!«
Daraufhin ging ein Leuchten über Hausers Gesicht, und auch der Dicke lächelte. Beide Männer umarmten sich kurz. Dann rief der Dicke dem Weib laut zu: »Bring das frischgebackene Brot, den Speck und den guten Wein!«
Ohne Murren schleppte die alte eine Pfanne mit Speck, einen Korb voll mit Brot und einen bis zum Rand gefüllten Weinkrug herbei. »Greift zu, meine Freunde!«, sagte der Dicke nun freundlich, und Hauser forderte er auf: »Wenn du gegessen hast, lass uns über die alten Zeiten reden!« Kauend nickte Hauser.
Die Burschen kamen aus dem Staunen nicht heraus. Gierig griffen sie nach Speck und Brot. Zwischen den Bissen sagte Peter: »Im Grunde ist es mir einerlei, welche Zauberformel den alten dazu veranlasst hat, uns dieses Essen zu bringen. aber ich vermute, dass es mit dem geheimnisvollen Bundschuh zu tun hat.«
Hauser lächelte. »Du bist ein schlauer Bursche, Peter!«
»Woher wusstet Ihr, dass der Wirt dazugehört?«
»Seine Hände haben ihn verraten!«
Mehr sagte Hauser nicht, sondern biss herzhaft in den geräucherten Speck.
Nachdem jeder satt und zufrieden war, schenkte der Wirt einen weiteren Becher Würzwein aus. Dieser war stark und kräftig im Geschmack und wärmte von innen.
Man konnte den Burschen anmerken, dass sie gespannt darauf warteten, mehr zu erfahren.
Endlich setzte sich der Wirt zu ihnen. Seine augen strahlten Hauser an.
»Selten kommen welche von uns hier vorbei. So freut es mich sehr, dass es dich hierher verschlagen hat. Wohin soll die Reise gehen?«
»Wir wollen uns Müntzer anschließen.«
»Müntzer?«, fragte der Wirt ungläubig.
»Er ist unsere letzte Hoffnung! Wir sind damals einen Weg gegangen, der nichts gebracht hat«, erklärte Hauser. »Luther konnte uns mit seinem Geschwätz nicht retten. also müssen wir nun einen anderen Weg einschlagen, und der heißt Müntzer! Ich habe gehört, dass er in Mühlhausen sein soll.«
»Die Leute erzählen viel dummes Zeug, und jeder will es besser wissen!«, schimpfte der Dicke. »Ich weiß aus sicherer Quelle, dass der Rat von Mühlhausen Müntzer und Heinrich Pfeiffer der Brandstiftung beschuldigt und beide im September aus dem Gebiet der Freien Reichsstadt verwiesen hat. Sie sind zusammen nach Nürnberg gewandert. Doch Pfeiffer konnte auch dort seinen Mund nicht halten und musste so auch Nürnberg wieder verlassen. angeblich soll er zurück auf dem Weg nach Mühlhausen sein. Müntzer hingegen blieb in Nürnberg und verhält sich ruhig.«
Hauser kaute auf einem Zahnstocher und überlegte.
»Pfeiffer? Muss man ihn kennen?«
»Er war Mönch – drüben im Kloster Reifenstein auf dem Eichsfeld, einem Landstrich in Thüringen. Hat dann auf Scharfenstein die Lehre Luthers gepredigt, was nicht jedem gefallen haben muss, denn er wurde der Burg verwiesen. Seine Reden begeistern aber die einfachen Menschen, und sie sind es, die ihm folgen. als man ihm in der Marienkirche das Predigen verbot, predigte er auf Marktplätzen«, lachte der Wirt.
Hauser überlegte. »Einerlei! Wir gehen nach Mühlhausen und sehen dann weiter. Der Winter naht, und da ist es von Vorteil, wenn man ein festes Dach über dem Kopf hat.«
»Weiß du, wohin du dich in Mühlhausen wenden kannst?«, wollte der Gastwirt wissen. Hauser nickte. »Es gibt genügend, die uns helfen werden.«
Michael und Matthias waren am Tisch eingeschlafen, und Johannes und Friedrich schien das Gespräch nicht zu fesseln, sie labten sich lieber an dem starken Wein.
Peter hatte den beiden Männern als Einziger gelauscht. »Herr Hauser«, wollte er nun wissen, »wie habt Ihr erkannt, dass der Wirt zu Euch
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