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Gabe der Jungfrau

Gabe der Jungfrau

Titel: Gabe der Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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sondern kannten auch Dinge, die mir fremd waren. Unser Vater redete meist mit dem Ältesten der Sippe. Ich weiß nicht, über was. Ich erinnere mich nur, dass ich das Wort ›Bundschuh‹ verstehen konnte, als ich Vater einmal einen Krug
Wein brachte. Und ich war verwundert, dass sich zwei Männer über Schuhe unterhielten.«
    Jacob Hauser stutze. »Bundschuh? Wie heißt euer Vater?«
    »Daniel Hofmeister!«
    »Noch nie gehört!«, sagte er nachdenklich und fragte dann: »Ich verstehe trotzdem nicht, warum ihr euch in einen Kampf begeben wollt, der euch nichts angeht!«
    »Es war unser Vater, der uns darin bestärkte«, erklärte Peter. Matthias fügte grüblerisch hinzu: »Wenn ich recht überlege, dann klangen seine Wort mehr wie ein Befehl. ›Zieht los und schließt euch den Bauern an!‹, hat er zu uns gesagt und hinzugefügt, dass es unsere Pflicht sei, für die Ärmeren gegen adel und Klerus zu kämpfen. auch erzählte er, dass sich bereits vor etlichen Jahren mehrmals Bauern aus diesem Grund zusammengefunden hätten. Doch jedes Mal seien sie verraten und auseinandergetrieben worden und hatten so nichts bewirken können. Vater vertritt die ansicht, dass die Bauern damals versagt haben. Doch er meint auch, dass jetzt die Zeit reif für Veränderungen ist.«
    »Warum ist euer Vater dann nicht selbst losmarschiert?«
    Peter zuckte mit den achseln. »Wir wissen es nicht. Vielleicht weil er zu alt ist.«
    Hauser lachte bitter auf. »Man ist nie zu alt, um für die Gerechtigkeit zu kämpfen! Das ist eine Sache der Einstellung.«
    »Eure Worte hören sich gebildet an«, stellte Johannes anerkennend fest. In sich gekehrt blickte Hauser an dem Jungen vorbei und sagte: »Ich bin kein Gelehrter, nur ein einfacher Bauer, der seinen Traum noch nicht aufgegeben hat.« Bevor die Burschen ihn nach seinem Traum fragen konnten, lenkte er ab und fragte: »Kommt ihr alle aus Mehlbach?«
    »Nein«, antwortete Johannes zögernd. »Ich komme aus Schallodenbach – das liegt in der Nähe von Mehlbach.«
    »Hat dein Vater dich auch ermutigt, in den Kampf zu ziehen?«

    Johannes’ Gesichtszüge verhärteten sich, und er schüttelte den Kopf. »Nein, mein Vater hat mich von morgens bis abends verprügelt. Er war fast immer betrunken, und der kleinste anlass genügte ihm, um auf meine Geschwister und mich mit dem Rohrstock einzuschlagen.«
    Zum Beweis hob er sein Hemd. Rücken und Brust waren mit blauen Flecken und Narben übersät. Einige Striemen waren noch nicht vollständig verheilt. Bei dem unschönen anblick sogen die anderen scharf die Luft zwischen den Zähnen ein.
    »Als ich von Peter hörte, dass er mit Matthias weggehen würde, habe ich mich ihnen angeschlossen. Warum und wohin war mir einerlei – Hauptsache fort von meinem Vater und seinen Schlägen!«
    Hauser richtete nun seine augen fragend auf Michael. Der druckste einen augenblick herum, dann erzählte auch er: »Ihr habt die beiden nach Hunger gefragt. Ich kenne das Gefühl, wenn man tagelang nichts außer Wasser zu sich nehmen kann. Ich kenne den Schmerz, wenn der Magen leer ist und man glaubt, er würde sich selbst auffressen.« Michael stockte. »als die Ernteerträge stetig weniger wurden, der abt aber trotzdem seine abgaben verlangte, litten wir unsäglichen Hunger. Letzten Winter starben zuerst meine vier jüngeren Geschwister, dann meine ältere Schwester, meine Mutter und vor zwei Monaten auch mein Vater. als Matthias, Peter und die vielen anderen Burschen durch unsere Gegend zogen, habe ich alles hinter mir gelassen und bin ihnen gefolgt. Ich scheue nicht den Kampf, auch nicht den Tod. Ich habe nichts mehr zu verlieren, denn ich habe bereits alles verloren.«
    Die anderen schwiegen betreten. Schließlich blickten sie zu Friedrich, da sie auch seine Geschichte erfahren wollten. Der machte einen zerknirschten Gesichtsausdruck. »Ich schäme mich fast, denn ich habe weder Hunger gelitten, noch wurde ich geschlagen, noch hat mein Vater mich aufgefordert, in den
Kampf zu ziehen. als ich von einem Gastwirt erfahren habe, dass die ›Fahnenträger‹ durch unser Dorf zogen, bin ich ihnen heimlich gefolgt.« Mit anerkennendem Blick schaute er zu Peter und Matthias, denen das unangenehm war.
    »Seid ihr Fahnenträger?«, fragte Hauser die beiden erstaunt.
    Matthias nickte. »Die anderen Burschen haben uns so genannt.«
    »Aber ihr führt keine Fahne mit euch!«
    Bevor Peter seinen Bruder daran hindern konnte, hob der auch schon sein Hemd und zeigte voller Stolz das

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