Gabe des Blutes
beobachtete, als sie mit ausgestreckten Armen auf Rye zuging. Reule hielt ihn jetzt fest, sodass er sich nicht bewegen konnte. Mystique legte ihre Hände auf Ryes Gesicht, und Reule fing Ryes Gewicht auf, als der überrascht zusammensackte und die Augen verdrehte, bevor er sie schloss. Chayne war augenblicklich bei ihr, und zu dritt ließen sie den Riesen zu Boden gleiten.
»Um Himmels willen, ich schwöre, dass ich ihn noch nie so erlebt habe«, flüsterte Chayne. »Er war völlig fanatisch. Hasserfüllt.« Verwundert blickte er zu Mystique. »Ich wusste nicht, dass Ihr das könnt.«
»Niemand weiß das. Und ich will, dass das auch so bleibt«, sagte Reule kurz. Er wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn und blickte zu Liandra. »Ist das klar?«
»Mach dir wegen Liandra keine Gedanken«, sagte Mystique gereizt.
Reule fand ihren Tonfall überraschend und belustigend. Es gefiel ihm, wenn sie seine Leute verteidigte. Selbst wenn sie es nicht verdienten, wie er bei Rye fand.
»Also, meine hübsche Dame, was sollen wir mit Eurem Patienten tun?«
»Gibt es irgendwo eine starke Tür mit einem Schloss?«
»Euer Wunsch ist mir Befehl. Was nicht anders zu erwarten war, wenn man bedenkt, wie du mich an meinem …«
»Reule!« Mystique unterbrach ihn mit einem erschrockenen Lachen. Liandra kicherte. »Im Ernst. Das ist nicht so, wie wenn man verletztes Gewebe heilen will. Rye ist nur teilweise körperlich versehrt. Ich glaube, dass ich seinen Geist nicht ohne seine Hilfe oder Zustimmung heilen kann. Ich kann nicht erklären, warum es anders ist, aber mein Instinkt sagt mir, dass es so ist.«
»Ich lerne, deinen Instinkten zu vertrauen«, bemerkte Reule. »Und das solltest du ebenfalls. Du hättest wissen müssen, dass du mit Rye nicht allein hättest hierherkommen dürfen.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass er mir wehtun würde«, erwiderte sie leise.
» Kébé , beim letzten Mal hat er dich fast erwürgt!«
»Himmel«, stieß Chayne hervor. »Deshalb warst du so wütend auf ihn. Deshalb hast du ihn nicht zum Schattenmann gemacht.«
»Ich hätte es dir erzählen sollen, Chayne, aber ich wollte mich in meiner Reaktion zurückhalten und ihn nicht zu sehr demütigen, damit er es nicht Mystique ankreiden würde. Ich habe nicht gedacht, dass er seine Fähigkeit auf diese Weise gegen dich einsetzen würde. Ich habe überhaupt nicht gedacht.« Reule war sichtlich wütend über sich selbst. »Ich danke dem Herrn, dass mein kurzsichtiges Handeln dich nicht das Leben gekostet hat, Kébé .«
Reule richtete sich zu seiner vollen Größe auf und zog sie an sich. Er untersuchte aufmerksam, was er von ihr sehen konnte, und ließ die Finger sanft über ihren geschwollenen Arm gleiten. »Wenn ich seinen Zorn nicht gespürt hätte … Ich bin der einzige ’Path in dieser Stadt, dessen Fähigkeiten die von Rye übertreffen. Der einzige, den er nicht abblocken kann.«
»Sei still«, beruhigte sie ihn mit einem liebevollen Flüstern, während ihre Finger seine Lippen berührten. »Alles ist gut. Du hast dein Versprechen gehalten. Und ich hatte nie die Sorge, dass du es nicht tun würdest.«
Er küsste sie auf die Fingerspitzen, dann schob er ihre Hand weg und zog sie fest an sich.
»Wie lange wird das dauern?«, fragte er und blickte zu Rye hinab. »Ich würde ihn lieber nicht so vor den Augen seiner Gefährten hinausschleppen.«
»Ich weiß es nicht. Kannst du es nicht irgendwie beschleunigen?«
»Nein. Er muss bei Bewusstsein sein, bevor ich etwas sagen kann. Chayne. Sucht Saber und sagt ihm, er soll drei starke Wachen schicken. Wir gehen in den Saal und teilen den anderen die Neuigkeit mit, auf die alle warten. Es wird sie ablenken, und so können ihn die Wachen unbemerkt wegbringen.«
»Die Neuigkeit?«, fragte sie.
Er lachte. »Ja. Dass ich dich zu meiner Braut machen will.«
»Oh! Ich …« Sie errötete. »Das habe ich ganz vergessen.«
»Ein vielversprechender Anfang«, sagte Liandra kichernd. »Das hätte Amando gefallen. Nun, nicht das mit dem Kampf oder mit Rye, der sich wie ein Wahnsinniger gebärdet hat, aber … nun, der lustige Teil.«
»Wir haben verstanden«, sagte Chayne trocken.
»Komm, Mystique«, sagte Liandra und achtete nicht auf Chaynes Sarkasmus und Reules mürrisches Gesicht, um sie aus Reules Griff zu befreien und mitzuziehen. »Ich brauche einen guten Platz, um zu sehen, wie Jocelyn der Schlag trifft. Ich wette, sie läuft dunkelrot an.«
13
Der leichte Schneefall entwickelte
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