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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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geworden.«
    Der Tag, besser gesagt, das Ereignis, traf ihn in gewalttätigen, sich überschlagenden Bildern. Weil er es aus ihrer Perspektive sah, war das Geschehen durchdrungen von Emotionen, von Schmerz und Angst und Verrat.
    Ein kleines Zuhause, zwei Zimmer, die Mystiques Handschrift trugen, getrocknete Kräuter und Dinge, die er durch sie kennengelernt, aber noch nie zuvor gesehen hatte. Die Umgebung war vertraut. Sie war sicher und zufrieden. Sie empfing vertraute Personen, behandelte und heilte; manche wollten nur ihrer Einsamkeit entfliehen oder ein paar freundliche Worte hören. Manche drängten sie, ihnen dabei zu helfen, ihre verschwundenen Kinder oder ihre Haustiere wiederzufinden, andere drückten ihr Dinge in die Hand, damit sie diese telemetrisch nutzte.
    Doch eines Tages wurde das Zuhause zur Hölle.
    Ein Mann, jung und so stark wie ein Bulle, traf sie allein an und machte Annäherungsversuche, die sie mit Humor und ihrem diplomatischen Geschick nicht abwehren konnte. Reule schloss die Augen, als sie zu zittern begann bei der Erinnerung.
    »Sylva, du bist so hübsch …«
    »Ich bin beschäftigt«, sagte sie und stieß seine Hand weg, als er ihr ins Haar fassen wollte. Die Hand kam wieder und legte sich um ihren Nacken. »Brauchst du medizinische Hilfe oder nicht?«
    »Oh ja. Ich muss meine Sehnsucht nach dir kurieren.«
    Er packte ihre Hand und drückte sie an seinen ausgebeulten Schritt. Sie versuchte mit aller Kraft, die Hand wegzuziehen, da lockerte er den Griff, sodass sie sich losreißen konnte und unter männlichem Gelächter rückwärts auf den Boden plumpste. Mit kalter Wut starrte sie Harrell und seine beiden Diener an, während sie sich hastig hochrappelte.
    »Fass mich nie wieder an!«, schleuderte sie dem reichen, verwöhnten Bengel entgegen. »Es ist mir egal, wer dein Vater ist, ich schneide dir die Eier ab und benutze die winzigen Dinger als Puppenaugen!«
    Harrell lief dunkelrot an vor Zorn, während seine Männer sich das Lachen verbeißen mussten. »Du verdammtes kleines Miststück!«
    Er stürzte sich auf sie, doch weil sie leichter und schlauer war als er, wich sie ihm geschickt aus und stieß ihn zu Boden. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand sie da und grinste auf ihn hinunter.
    »Komm schon, Harrell. Ich kuriere deine Zahnschmerzen, und dann verschwindest du. Führ dich nicht auf wie ein Dummkopf. Wir sind zusammen aufgewachsen! Ich kenne alle deine Tricks! Also hör auf und lass mich wieder meine Arbeit machen.«
    Doch sie waren keine Kinder mehr. Er war zu einem flegelhaften Mann herangewachsen, der es gewöhnt war, seinen Willen zu bekommen. Sie sah, wie sich seine schieferfarbenen Augen verengten und wie er die Zähne fletschte. Er sprang vom Boden auf, packte sie und stieß sie zu seinen Männern hin. Anscheinend war das ein einstudiertes Manöver. Als die sie unter den Achseln packten, sagte ihr ihre Intuition, dass sie das schon öfter mit den Frauen gemacht hatten, die Harrell gewollt hatte. Sie würden ihre Arbeit nicht verlieren, solange sie mitmachten, und oft bekamen sie die Reste als Prämie.
    Sie hatte die Warnungen ihrer inneren Stimme nicht richtig ernst genommen, und jetzt saß sie in der Falle und konnte sich nicht bewegen, während Harrell lässig auf sie zukam. Der brutale Schlag mit einer Faust, die halb so groß war wie ihr Kopf, traf sie so heftig, dass das Blut spritzte. Ihr Kopf dröhnte, ihre Wahrnehmung verschwamm, und hinter ihren Lidern blitzte es schmerzhaft hell.
    Während sie zwischen verschiedenen Bewusstseinsebenen taumelte, wurde ihr Kleid vorn von zwei großen Fäusten gepackt und auseinandergerissen. Ihre Brüste lagen auf einmal bloß, den anzüglichen Blicken und dem Gelächter preisgegeben. Ein brutaler, ekelhaft nasser Mund schloss sich um eine ihrer nackten Brustwarzen, und eine grobe Hand quetschte die andere Brust brutal.
    Mit einem rauen Stöhnen riss Reule sich von der Erinnerung los und schlang die Arme schützend um sie. Er hatte recht gehabt. Sie hätte sich nie daran erinnern sollen. Sie hätte lieber unbelastet davon weiterleben sollen. Sie atmete in kurzen, hektischen Zügen, und er wusste, dass die Erinnerung auch ohne ihn weiterging. Er konnte es nicht ertragen, zuzusehen bei dem, was jetzt kommen würde, in ihrem Geist zu sein, während sie vergewaltigt wurde, doch er konnte sie auch nicht alleinlassen mit der Erinnerung. Er konnte sie nicht verschonen, nur so würde er erfahren, was so ein Moment für eine Frau

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