Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
Vom Netzwerk:
bedeutete. Was das für die Frau bedeutete, die er liebte. Er drängte alle Emotionen zurück, vor allem seinen Zorn, und öffnete sich selbst erneut ihrem Geist, ihrer Erinnerung an diesen Moment.
    Schließlich war sie wieder so weit bei Verstand, dass sie erfasste, in was für einer Gefahr sie sich befand, und dass sie bereits etwas verloren hatte, was sie nie mehr wiederbekommen würde. Ihr Körper war übersät mit Blutergüssen, Striemen und Spuren von schmutzigen Fingernägeln, die sich in ihre Haut gebohrt hatten. Ihre Brüste waren nass von Speichel, und sie war mehr als einmal gebissen worden. Im Moment betatschte ihr Angreifer ihren Hintern und versuchte, ihr das Kleid ganz herunterzureißen. Sie war froh, dass sie, wie es ihre Gewohnheit war, eine Hose unter dem Kleid trug. Abgesehen davon, dass sie wärmte, war es ihr lieb, wenn sie an hektischen und anstrengenden Tagen das Kleid einfach ablegen konnte.
    Sie wartete ab, ertrug den Angriff auf ihren Körper mit zusammengebissenen Zähnen und geschlossenen Augen, bis Harrell es geschafft hatte und ihr das Kleid herunterziehen konnte. Er trat ein Stück zurück, um sein teuflisches Werk zu bewundern, und sie bemerkte gerade noch seinen überraschten Blick angesichts ihrer Hose, da ließ sie sich auch schon mit ihrem ganzen Gewicht in die Hände fallen, die sie festhielten. Die spannten augenblicklich die Muskeln an, um sie gerade zu halten, und ihre Beine schossen nach vorn. Sie trat hart und schnell zu, erst zwischen Harrells Beine und dann ins Gesicht, als er sich vor Schmerz und Schreck zusammenkrümmte. Dann stieß sie sich von seinem kräftigen Körper ab, sodass sie die überraschten Diener auf einen Tisch mit Kolben und Behältern aus Glas und Keramik mitriss. Sie ließen sie los, und sie fiel zu Boden, während die beiden Diener in einem Minenfeld aus Scherben landeten.
    Sie rappelte sich auf und stürmte zur Tür. Doch anstatt durch Schnee und Eis in eine belebte Stadt zu laufen, packte sie die Jacke, die sie für kurze Gänge im Ort benutzte, und schlüpfte hinein. Sie machte sie fest zu und griff dann an ihrer Taille nach dem doppelseitigen Dolch, den sie bei sich trug.
    Sie umklammerte den mittigen Griff des Dolchs und machte sich zum Kampf bereit. Harrell war so wütend, wie sie nie zuvor jemanden gesehen hatte. Er war schon immer aufbrausend gewesen, mit einem gemeinen Zug, doch wie niederträchtig er wirklich war, hatte sie bis jetzt nicht bemerkt. Er ging auf sie los, ein riesiger Berg aus Muskeln und Wut, neben dem ihre Gestalt klein und zerbrechlich wirkte. Doch es gab kein Zögern, als ihre Klinge Harrell unterhalb seiner Rippen erwischte … sie empfand nur tiefen Kummer.
    »Oh, verdammt, Baby«, sagte Reule heiser, zog ihr Gesicht an seine Lippen und unterbrach den Erinnerungsstrom genau in dem Moment, als ihr wieder einfiel, wie leicht das scharfe Metall in den weichen Bauch eingedrungen war und wie Harrells Schwung und sein eigenes Gewicht dafür sorgten, dass die Klinge fast bis zum Heft in seinem Leib verschwand.
    Mystique empfing seinen Kuss gierig und verzweifelt. Seine Zuneigung zu spüren, als sie erfuhr, was sie getan hatte, war wie Wasser in der Wüste. Seiner Kultur, seiner Rolle im Leben gemäß hatte er bereits Erfahrung damit, jemanden zu töten, um das eigene Leben und das Leben seines Volkes zu retten. Auf seine Art gerechtfertigt und bestimmten Prinzipien folgend. Bei ihr war das nicht so. Sie hatte ihr Leben damit zugebracht, andere zu retten und zu heilen. Es war eine Tragödie, dass sie zu einer solchen Tat gezwungen worden war. Es hätte nie geschehen dürfen.
    »Aber er war ein Prinz. Der Sohn des Mittelkönigs Knar, und er war es gewöhnt, alles zu bekommen«, sagte sie in leisen, abgehackten Worten an seinen Lippen. »Ich stand unter Schock und konnte mich vom Ort meines Verbrechens nicht wegbewegen. Es war Hochverrat. Sie haben mich auf den Platz gezerrt, mich ausgezogen, mich ausgepeitscht und mich zwei Tage lang an den Fußknöcheln aufgehängt, dem Pöbel und den Elementen ausgesetzt. In der dritten Nacht hat mich jemand, ich weiß nicht, wer, abgeschnitten, mir etwas übergeworfen und mich auf einen Pferderücken gelegt. Man hat mich aus dem Ort gebracht und das Pferd davongejagt. Ich erinnere mich nur an das, was er gesagt hat, bevor er dem Pferd einen Schlag versetzt hat. ›Nur Dummköpfe töten ein Kind der Götter.‹ Ich nehme an, er dachte, es würde die Götter erzürnen, wenn er mich

Weitere Kostenlose Bücher