Gabe des Blutes

durchlitt. Für jemanden mit ihren Fähigkeiten war das wie ein Platz in der ersten Reihe. Verdammt soll ich sein, kein Wunder, dass sie nicht bei sich war, als wir sie gefunden haben.« Das könnte auch erklären, weshalb sie so viel über die Sánge weiß , überlegte Reule. Sie hatte es wahrscheinlich von Chayne oder sogar von den Schakalen. Auch ihre Gefühle ihm gegenüber. Vielleicht hatte sie Chaynes Gefühl der Loyalität und Ergebenheit ihm gegenüber in sich aufgenommen und gar nicht gemerkt, dass sie darauf reagierte.
    »Bring mich hin!« Mystique versuchte aufzustehen, und die jähe Bewegung hätte Reule beinahe umgestoßen. Stattdessen erhob er sich gemeinsam mit ihr, während sie sich aus seinem Griff zu befreien versuchte. »Bring mich zu ihm! Reule! Ich bitte dich, bring mich hin.«
    »Zu Chayne?«
    »Nein. Auf keinen Fall«, bellte Delano. »Reule, ich verbiete es!«
    Auf die Anweisung folgte eine tiefe Stille, auch Mystique erstarrte, als die Worte des Vollstreckers ihre Wirkung taten. Rye bewegte sich als Erster, um Reule den Weg zu versperren. Der fuhr herum und trat Delano knurrend und mit blitzenden Fangzähnen entgegen. Mystique stöhnte leise auf, bevor sie die Hand vor den Mund schlug.
    »Mein Primus!« Rye hatte sich in den Weg gestellt, doch als Delano ebenfalls mit einem Blitzen der Fangzähne reagierte, war der auf einmal im Mittelpunkt des Geschehens. »Wartet! Alle beide! Mein Primus, denk daran, dass Chayne Delanos Bruder ist. Es ist Delanos gutes Recht, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ich glaube nicht, dass er dich herausfordern wollte.« Er wandte sich zu Delano um, während er mit einer Hand gegen Reules Brust drückte. »Delano, du weißt, dass du es nicht überlebst, wenn du den Primus herausforderst, aber wir alle wissen, dass du das gar nicht tun wolltest. Auch wenn er dein Bruder ist, als ein Rudelgefährte untersteht Chayne Reules Verantwortung bis zum letzten Atemzug. Wir alle haben diese Wahl getroffen an dem Tag, als wir unseren Eid abgelegt haben. Du hast kein Recht, in seinem Namen Forderungen zu stellen, aber du weißt, dass Reule deinen Wünschen stets Gehör schenken wird.«
    »Wirklich? Wird er überhaupt hören, was ich sage, nachdem er verhext worden ist von dieser … dieser …«
    »Pass auf, was du sagst, Vollstrecker«, fauchte es hinter Rye bedrohlich.
    Und von Reule her ebenfalls.
    Das ganze Rudel wurde aus der Spannung zwischen den beiden Männern herausgerissen, als die kleine Frau hinter Reule die Drohung gegen den Vollstrecker hinnahm, als hätte sie in ihrem ganzen Leben noch keine Sekunde Angst gehabt.
    »Mystique?« Darcio hob eine Braue und versuchte eine gewisse Belustigung zu unterdrücken.
    »Hast du Zweifel an mir, Schattenmann?«
    Darcio hob einlenkend die Hände, als ihre Platinaugen Funken sprühten vor Wut. »Nicht im Geringsten, meine Dame«, sagte er rasch. »Ehrlich gesagt, ich wäre ein Dummkopf, wenn ich Euch unterschätzen würde. Aber ich denke, wir alle wüssten gern, warum Ihr Chayne sehen wollt. Er leidet schrecklich und ist sehr stolz. Er würde nicht wollen, dass jemand Fremdes ihn so sieht.«
    »Zweifellos«, stimmte sie zu und atmete einmal tief durch. Sie wandte sich zu Delano um. »Und zweifellos habt Ihr allen Grund zu leiden und auch allen Grund, mich für eine Gefahr zu halten. Vor allem nach dem, was in den letzten Minuten passiert ist. Doch ich verspreche Euch …« Sie blickte zu Reule, um ihn in ihre Bemerkung mit einzubeziehen. »Ich verspreche Euch, dass Ihr mir die Kehle durchschneiden dürft, wenn ich ihm Schaden zufüge. Reule«, drängte sie und streckte die Hand aus, »bring mich zu ihm. Bitte.« Ihr Blick ruckte kurz zu Delano. »Haltet Euren Dolch bereit, Vollstrecker. Nicht einmal Euer Primus ist so schnell wie Ihr.«
    »Dann lasst uns gehen«, sagte Delano grimmig, während er den Dolch aus der Scheide zog.

6
    Reule war wachsam, als sie den Salon betraten, der zu Chaynes Zimmer führte. Mystique hatte recht. Obwohl er noch herausfinden musste, woher sie wusste, dass Delano schneller war als er. Der Vollstrecker war viel schneller in seinen Reaktionen, und er hatte mit dem Dolch eine Fertigkeit erlangt, dass nicht einmal Reule mithalten konnte. Trotzdem würde er Delano nicht so nah an Mystique herankommen lassen, dass er ihren Hals oder irgendein anderes Körperteil in Gefahr brachte. Er kannte seinen obersten Vollstrecker ganz genau, und er wusste, dass Delano alles tun würde, um Reules Reich gegen