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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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ihre Hand.
    »Nach dem Abendessen gehen wir normalerweise in die Bibliothek«, sagte er. »Ich würde mich freuen, wenn ich vorgehen dürfte.«
    »Oh. Danke«, sagte sie, und ihre atemlose Stimme verstörte Reule zutiefst. Er war ihm nicht recht, dass ihr Vertrauen auf diese Weise erschüttert wurde, und obwohl es keine Absicht gewesen war, waren seine Männer dafür verantwortlich. Trotzdem konnte er ihnen nicht die Schuld geben. Sie hatten vergessen, dass sie vor drei Tagen noch ein schmutziges, ängstlich zusammengerolltes Bündel gewesen war, nachdem es sich seinen Weg durch die Wildnis gebahnt hatte.
    Mystique stand auf und fasste dabei die Rückenlehne des Stuhls, um nicht erneut zu stolpern. Er beobachtete sie aufmerksam, hielt sich direkt hinter Amando in Habachtstellung, doch er hätte sich nicht sorgen müssen.
    Der psychische Peitschenhieb, der jedes Rudelmitglied durchfuhr, war nicht misszuverstehen.
    Es war wie ein elektrischer Schlag, der von einem zum anderen sprang, sodass alle vor Schreck erstarrten. Das alarmierende Gefühl wurde noch verstärkt von einem verängstigten Stöhnen, das ihr weiblicher Gast ausstieß. Reule sah, wie erst sie und dann Amando leichenblass wurden. Er wollte schon eingreifen, als beide das Gleichgewicht verloren.
    »Zum Teufel!« stieß Reule hervor, packte Amando an den Schultern und sah, wie Mystique hilflos nach hinten kippte. Zum Glück stand der Stuhl direkt hinter ihr, und als sie auf das Polster plumpste, war Saber zur Stelle, um sie mit seiner kräftigen Hand zu stützen.
    Das war ein Fehler.
    Das ganze Rudel zuckte zusammen, als Saber sie berührte, und diesmal wurden sie alle von einem Gefühl der Übelkeit erfasst. Reule sah, wie Saber erschrocken den Mund öffnete und wie seine dunklen Augen sich weiteten vor Entsetzen. Mystiques Hände umklammerten die Rückenlehne so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten und die bereits verheilenden Wunden an ihren Händen wieder aufrissen. Inzwischen hatte Reule seine volle mentale Abwehr aufgebaut, um sich so vor der Verbindung zum Rudel zu schützen. Auch wenn ihre Verbindung das nicht vollständig zuließ, hatte er doch zumindest die überschüssige psychische Information abgeschnitten. Er ließ Amando zu Boden gleiten, stieg über ihn hinweg und schlug Sabers Hand weg und kappte damit die Verbindung zur Quelle seines Schmerzes. Das ganze Rudel atmete erleichtert auf und erholte sich, doch seine Beine gaben plötzlich nach.
    Rye hatte sich als Erster wieder gefangen, und er sah, wie Reule die Hand nach Mystique ausstreckte.
    »Nein! Rühr sie nicht an!«
    Reule hörte nicht auf den Befehl, sondern vertraute auf seine Kräfte. Er umfasste ihr leichenblasses Gesicht mit seinen großen Händen und bog ihren Kopf zurück, bis sie ihn ausdruckslos ansah. Er spürte, wie Gefühl und Schmerz gegen seine mentale Abwehr prallten, doch die hielt stand, während er in ihre glasigen Augen blickte.
    »Mystique? Kébé , Süße, sprich mit mir«, ermunterte er sie leise, während sich das Rudel um sie versammelte. Je mehr sie sich erholten, desto mehr Kraft gewann Reule. Er sandte gedankliche Warnungen aus, sie nicht zu berühren oder sich einzumischen, und so kümmerten sie sich um Saber und Amando. Er ging langsam in die Hocke und zwang sie, ihren noch immer glasigen Blick nicht von ihm abzuwenden. »Sag mir, was los ist.« Und nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: »Sag mir, was du fühlst.«
    Er hätte seine Fähigkeiten eingesetzt, um es selbst herauszufinden, wenn nur er allein dabei in Gefahr gewesen wäre, doch offensichtlich war das ganze Rudel bedroht, wenn er das tat. Sie waren vollkommen unvorbereitet gewesen, und inzwischen waren sie auf der Hut, doch er durfte kein Risiko eingehen, bevor er nicht besser verstand, womit er es zu tun hatte.
    »Es ist so intensiv …«, stöhnte sie und brach dann ab, doch immerhin hatte sie etwas gesagt. Außerdem gelang es ihr, den Blick auf ihn zu richten.
    Gerade so weit, dass er den Schmerz und die Tränen in ihren Augen sehen konnte. »Was ist so intensiv, Kébé ? Sprich, Baby, sprich einfach«, ermutigte er sie mit rauer Stimme, während sein Inneres sich zusammenzog vor Schmerz.
    »Es hört nicht auf«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und schloss die Augen, während ihr Körper bebte und ihr die Tränen über die blassen Wangen liefen. »Wie kannst du mich nur in einem solchen Zustand lassen? Merkst du denn gar nichts? Reule …« Sie riss die Augen weit

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