Gabe des Blutes
dass es notwendig war. Er wich ihrem Blick nicht aus. Ein Gefühl von Stolz erfüllte sie, und sie lächelte, während ein besitzergreifendes Gefühl in ihr aufkeimte. Sie ließ es geschehen.
»Hast du gedacht, dass mich die hier abschrecken würden?«, fragte sie, während sie ihm mit der Fingerspitze über die Lippen und über den deutlich hervortretenden Fangzahn darunter strich.
»Das könnten sie noch immer«, sagte er, und Besorgnis und Hoffnung schwangen in seiner Stimme mit. » Kébé , kennst du das Paarungsritual der Sánge?«
»Das hab ich dir doch gesagt«, sagte sie mit einem anmutigen Schulterzucken. »Hast du mir nicht geglaubt?«
»Ich … bin mir nicht sicher. Es war unklar. Ich möchte, dass du mich genau verstehst, Mystique, also werde ich ganz offen sein. Sánge können keinen Höhepunkt erlangen, wenn sie nicht vom Blut ihres Partners trinken. Das heißt, es gibt einen Biss, normalerweise im Augenblick der höchsten Erregung. Es führt zu einer überwältigenden Befriedigung. Wir sind so geschaffen. Du bist keine Sánge. Ich kann nicht vorhersagen, wie du darauf reagierst, wenn ich … wenn wir …« Zum Teufel , dachte Reule frustriert. Allein der Gedanke daran verstärkte seine maßlose Erregung. Er stellte sich vor, wie seine Zähne in die pergamentweiße Haut stießen, und beinahe hätte er seine Behauptung über den Sánge-Höhepunkt Lügen gestraft.
»Sánge trinken Blut in extremen Situationen«, flüsterte sie, während sie mit den Fingerspitzen die Konturen seines Gesichts nachfuhr und die Hände dann in seinem Haar vergrub, bis ihm schwindlig wurde vor Genuss und Wollust. »Bei Schmerzen, aus Leidenschaft oder Wut, beim Höhepunkt, vor Hunger und Erschöpfung und im Kampf. Ich weiß das«, versicherte sie ihm, »und es hat mich nie gestört. Ich glaube sogar, dass sich irgendetwas in mir nach eurer extremen Leidenschaft sehnt, Sánge.« Sie hob den Kopf, um ihn zu küssen, und erntete ein seelenvolles Stöhnen.
»Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dir wehzutun, Kébé «, stieß er hervor. »Mystique, was, wenn ich …«
»Das wirst du nicht«, sagte sie und brachte ihn mit ihren Fingern, ihren Lippen und mit ihrer Zunge zum Verstummen.
Reule ergab sich ihrem Vertrauen und dem Wissen, dass trotz seines Wunsches, darüber zu sprechen, ein Teil von ihm sie unter allen Umständen wollte. Er musste darauf vertrauen, dass ihre Furchtlosigkeit nicht umschlug. Wenn es Probleme gäbe, könnte man sie zu gegebener Zeit lösen, doch er war sich sicher, dass das nicht jetzt war. Er wusste, dass sie ihn umstimmen wollte, doch er würde sich nicht von seinem oder von ihrem Körper zu einer Unbedachtheit hinreißen lassen.
»Reule!«, schrie Mystique auf, als er sich plötzlich von ihr löste und aufstand. Ihre Hände griffen ins Leere, und ihr kleiner Körper wurde ganz kalt. Doch dann hob er sie hoch und zog sie an seine Brust. Entschlossen schritt er durch den dichten Dampf, setzte sie auf einer Bank ab und hüllte sie in trockene und wärmende Tücher. Er achtete dabei auf ihre Wunden und hielt den Kopf aufmerksam gesenkt. In diesem Moment begriff sie, dass sie in dieser Nacht nicht erfahren würde, was es bedeutete, von einem Sánge geliebt zu werden.
8
Darcio mochte vieles sein, aber er war kein Dummkopf. Er hielt sich respektvoll zurück, während er zusah, wie sein Primus grüblerisch und mürrisch im Gemeinschaftsraum auf und ab ging, sodass sich jedem Sánge, der dem ansonsten streitbaren König zufällig über den Weg gelaufen wäre, die Nackenhaare gesträubt hätten. Darcio war sein Schattenmann. Immer da, jedoch schweigsam und unaufdringlich. Dies hatte ihm die Position als Leibwächter des Primus eingebracht, und er würde seine Gewohnheiten auch jetzt nicht ändern. Und Reule sah ohnehin nicht so aus, als wäre er gerade sehr gesprächig.
Plötzlich tauchte ein Diener auf, und Darcio bedeutete dem Mann, auf Abstand zu ihrem aufgewühlten Primus zu bleiben.
»Was ist?«, fragte Darcio.
»Da ist … ein Bauer ist gekommen, um Hilfe zu erbitten, und er wartet …«
»Warum behelligst du mich damit?«, blaffte Reule so laut, dass der Sánge-Diener heftig zusammenzuckte und unter seiner dunklen Haut erblasste. Die Diener der Burg wussten, dass Reule ein schroffer und manchmal unwirscher Mann sein konnte, doch er war nie gemein oder grausam. »Rye ist oberster Schwertführer, und er ist heute in seinen Diensträumen. Er ist dafür zuständig, sich um solche Dinge zu
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