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Gabe des Blutes

Gabe des Blutes

Titel: Gabe des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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ersticken, als sie den Primus von unten anstarrte, als wollte sie ihm auf den Kopf schlagen.
    »Ich bin durchaus in der Lage, auf mich selbst aufzupassen«, sagte sie entrüstet. »Glaub bloß nicht, dass ich irgend so ein zerbrechliches Ding bin, um das man sich die ganze Zeit kümmern muss, nur weil ich einmal in Schwierigkeiten war.«
    Darcio hoffte, dass es nicht so war. Wenn sie sich Reule und dem Rudel anschließen wollte, musste sie aus hartem Holz geschnitzt sein. Allerdings hatte sie bereits Durchhaltevermögen und Zähigkeit bewiesen. Reules Bemerkung war nicht richtig gewesen, und der Primus von Jeth wusste es auch von der Vernunft her. Doch Darcio nahm nicht an, dass Reule im Augenblick besonders vernunftgesteuert dachte.
    »Ich glaube kaum, dass du mit einem wütenden Mob von Sánge fertig werden würdest, Mystique«, erwiderte Reule schneidend.
    »Du wärst überrascht, womit ich schon fertig geworden bin!«, fauchte sie zornig.
    Es gab einen Schlag, als die Bemerkung jeden im Raum traf, Mystique eingeschlossen. Ihre Wut verflog, und das Blut wich aus ihrem Gesicht. Darcio und Reule stürzten zu ihr und fassten sie unter den Armen, um sie zu stützen, während sie nach Luft rang. Sie erholte sich und versuchte sich loszumachen, doch sie hatte nicht genug Kraft, um sie abzuschütteln. Die Versuchung, ihre Gedanken zu lesen, war groß, doch Darcio respektierte ihre Persönlichkeitssphäre, obwohl ihr Entsetzen und ihre Angst bereits seine Sinne bestürmten.
    »Es geht mir gut. Bitte«, sagte sie gepresst und versuchte erneut die Hände an ihren Oberarmen abzuschütteln.
    »Beileibe nicht«, sagte Reule und zog sie an sich. »Was ist los? Woran hast du dich erinnert?«
    Darcio wandte sich an den Diener, der versuchte, einen unbeteiligten Eindruck zu machen. Mit einem knappen mentalen Befehl schickte Darcio ihn los, damit er dem Bauern etwas zu essen gab, während er in der Küche wartete. Er drehte sich wieder um und sah, wie Mystique ihn voller Unbehagen anblickte.
    »Wenn Ihr mich entschuldigen wollt«, sagte Darcio liebenswürdig, da er sie nicht daran hindern wollte, über ihr Trauma zu reden. Doch Reule hielt ihn zurück.
    »Nein. Bleib, Schattenmann. Kébé , Darcio wacht Tag für Tag über mein Leben, und das schon seit meiner Geburt«, erklärte er ihr. »Ich würde nur alles wiederholen müssen. Ich brauche die Hilfe meines ganzen Rudels, damit es dir dabei helfen kann, dich an das zu erinnern, was geschehen ist. Und um die zur Rechenschaft zu ziehen, die dir das angetan haben.«
    »Es ist nichts«, sagte sie kopfschüttelnd und vergrub ihr Gesicht an Reules breiter Brust. Sie versteckte sich mehr vor der Wahrheit, als dass sie sich vor ihm versteckte. Darcio konnte nicht verstehen, was sie dazu brachte, alles noch einmal zu durchleben, was sie durchgemacht hatte. Er hatte viel davon mitbekommen, und er hatte Tage später noch Albträume.
    »Sprich mit uns, Kébé . Verschließ es nicht in dir. Das führt nur dazu, dass du in Angst lebst.«
    Darcio musste es seinem Primus überlassen. Er schien genau zu wissen, was zu sagen war. Sie riss den Kopf hoch und stieß ihn mit der Schulter von sich.
    »Ich habe keine Angst!« Das war eine Unwahrheit. »Ich werde keine Angst haben«, berichtigte sie sich mit leiserer Stimme. Sie schlang die Arme um den Körper und hob tapfer das Kinn, obwohl sie am ganzen Leib zitterte. »Ich erinnere mich nur an Leute. Viele Leute. An Rufen. Lachen.« Sie zitterte so heftig, dass Darcio hörte, wie sie mit den Zähnen klapperte. »Johlen«, verbesserte sie sich erneut. »Es war feindselig, und es war überall um mich herum.«
    Darcio spürte den Blick des Primus. Das gehörte nicht zu den Dingen, die sie gemeinsam durch Darcios besondere Fähigkeit herausgefunden hatten. Sie war allein gewesen, als er ihr Körpergedächtnis durchforscht hatte. Selbst als die Schakale im selben Haus mit ihr waren. Sie hatte gar nicht gewusst, dass sie da war. Darcio nahm an, dass es ihr irgendwie gelungen war, sich dagegen abzuschotten, dass sie sie aufspürten. Das Seltsame war, dass auch sonst keiner aus dem Rudel ihre Schmerzen gespürt hatte. Was sie gespürt hatten, war zuerst durch den Primus gegangen, bevor es sie erreicht hatte. Das war ein weiteres Mysterium.
    »Eine Gruppe?«, ermunterte Reule sie sanft.
    »Eine Menge. Eine … riesige Menge. Das ist alles, was ich weiß«, sagte sie auf einmal, drehte ihnen den Rücken zu und ging hinaus. »Ich sollte mich jetzt um den Bauern

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