Gabriel Lambert
vergangenen Monat habe ich mehr als dreißigtausend Franc gewonnen.«
»Ich mache Ihnen ein Kompliment, mein Herr; morgen also.«
»Warten Sie doch … Ich glaube, es hat geläutet!«
»Ja.«
»Es kommt jemand?«
»Ja.«
Ein Bedienter trat ein.
Zum erstenmal sah ich die Augen des Barons auf einen Menschen geheftet.
»Nun?« fragte er, ohne daß er dem Bedienten Zeit ließ zu sprechen.
»Herr Vicomte«, sagte der Lakai, »es ist der Herr Graf de Macartie, der sich nach Ihnen erkundigt.«
»Er selbst?«
»Nein, er schickt seinen Kammerdiener.«
»Ah!« machte der Kranke. »Und was haben Sie geantwortet?«
»Der Herr Vicomte sei schwer verwundet, doch der Doktor bürge für seine Genesung.«
»Ist es wahr, Doktor, tun Sie das?«
»Ja, tausendmal ja«, erwiderte ich, »das heißt, wenn Sie keine Unklugheit begehen.«
»Da seien Sie unbesorgt. Sagen Sie, Doktor: daß der Graf de Macartie sich nach mir erkundigen läßt, beweist, daß er nicht an die Worte von Herrn Olivier glaubt?«
»Ohne Zweifel.«
»Nun, so heilen Sie mich rasch, und Sie werden bei der Hochzeit sein.«
»Ich werde mein Bestes tun, um das zu erreichen.«
Ich grüßte und ging hinaus.
. Kapitel
Eine Banknote für Franc
Sobald ich wieder draußen war, atmete ich freier: Dieser Mensch fl ößte mir seltsamerweise einen Widerwillen ein, und es drängte mich, ihn außer Gefahr zu sehen, um jede Verbindung mit ihm aufgeben zu dürfen.
Am anderen Tage kam ich, wie ich ihm versprochen hatte; die Heilung ging gut voran.
Das eigentümliche bei Verwundungen durch Degenstiche ist, daß sie entweder unmittelbar töten oder rasch heilen.
Die Wunde Herrn de Favernes verhieß schnelle Heilung.
Acht Tage später war er ausgefahren.
Nach dem Versprechen, das ich mir geleistet, kündigte ich ihm an, meine Besuche, die nunmehr unnötig geworden waren, vom nächsten Tag an einzustellen.
Er drang in mich wiederzukommen, doch mein Entschluß war gefaßt, und ich blieb fest.
»In jedem Fall«, sprach der Wiedergenesene, »in jedem Fall werden Sie sich nicht weigern, mir das Portefeuille zurückzubringen, das ich Ihnen gegeben habe. Es ist von zu großem Wert, als daß man es einem Bedienten anvertrauen könnte, und ich zähle auf diesen letzten Akt Ihrer Gefälligkeit.«
Ich versprach ihm das.
Am anderen Tag brachte ich ihm das Portefeuille; Herr de Faverne bat mich, auf seinem Bett Platz zu nehmen.
Halb damit spielend, öff nete er das Portefeuille. Es mochte ungefähr sechzig Banknoten, meistens Franc-Scheine, enthalten; der Baron zog zwei oder drei heraus und belustigte sich damit, sie zu zerknittern.
Ich stand auf.
»Doktor«, sagte er, »wundern Sie sich nicht über eines?«
»Worüber?« fragte ich.
»Daß man den Mut hat, eine falsche Banknote zu machen.«
»Das wundert mich, weil es eine feige und ehrlose Handlung ist.«
»Ehrlos vielleicht – aber feige? Wissen Sie, daß man eine feste Hand braucht, um die zwei kleinen Zeilen zu schreiben: ›Das Gesetz bestraft den Fälscher mit dem Tod.‹?«
»Ja, allerdings, doch das Verbrechen, besitzt einen eigenen Mut.
Derjenige, welcher einen Menschen am Waldrand erwartet, um ihn zu ermorden, hat beinahe ebensoviel Mut wie ein Soldat, der Sturm läuft oder eine Batterie nimmt; dessenungeachtet dekoriert man den einen, und den anderen schickt man auf das Schafott.«
»Auf das Schafott …! Ich begreife, daß man einen Mörder auf das Schafott schickt; doch fi nden Sie nicht, Doktor, daß es sehr grausam ist, einen Menschen zu guillotinieren, weil er Banknoten nachgemacht hat?«
Der Vicomte sagte diese Worte mit so bebender Stimme und einer so sichtbaren Veränderung seiner Züge, daß es mir auffi el.
»Sie haben recht«, erwiderte ich. »Ich weiß auch aus sicherer Quelle, daß man diese Strafe in nächster Zeit mildern und auf die Galeere beschränken wird.«
»Sie wissen das, Doktor?« rief der Kranke lebhaft. »Sie wissen das …
Sind Sie Ihrer Sache sicher?«
»Ich habe es den sagen hören, von dem der Vorschlag ausgehen wird.«
»Vom König. In der Tat, es ist wahr, Sie sind Vierteljahresarzt des Königs. Ah, der König hat es gesagt. Und wann soll der Antrag gestellt werden?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich bitte Sie, Doktor, erkundigen Sie sich, das interessiert mich.«
»Es interessiert Sie?« fragte ich erstaunt.
»Ganz gewiß. Interessiert es nicht jeden Freund der Menschheit, zu erfahren, ob ein zu strenges Gesetz aufgehoben wird?«
»Es
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