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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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hinüber, die ich am Ufer stehen sah. Wenn ich einen Tarzanschrei hinbekommen hätte, ich hätte ihn ausgestoßen. Bernd, der Sammler und Jäger. Felicité winkte, rief etwas. Es hätte »Wow« sein können. »Wow, Bern’!« Ich war sehr zufrieden.
    Ich machte mich auf den Rückweg, blieb ein Sammler. Das mit dem Jäger klappte natürlich nicht. Die Radkappe hatte mir einigen Auftrieb gegeben, und ich hielt aktiv Ausschau nach jagbarem Wild, aber es zeigte sich mir nicht. Keine Schildkröte, kein kleines Krokodil. Ich sah nicht einmal Frösche, obwohl man sie von überall her keckern hörte. Sie lachten mich wahrscheinlich aus, saßen irgendwo versteckt hinter Grasbüscheln und freuten sich ihres Lebens, während ich hungrig durchs Wasser stapfte und sie fangen wollte. Ich war nicht einmal sicher, ob ich einen ausgeruhten Frosch gekriegt hätte, auch wenn er direkt vor mir gehockt wäre. Eine längere Wasserjagd kam ohnehin nicht in Frage, ich wollte die Blutegelquote niedrig halten.
    Felicité erwartete mich am Ufer. Ließ ihre Brauen hüpfen, wiegte fröhlich den Kopf.
    »Prima«, sagte sie. »Jetzt können wir kochen.«
    Ich entfernte drei Blutegel aus meinen Kniekehlen und schleuderte vier weitere fort, die zwischen den Falten meiner nassen Stiefel steckten. Dann scheuerten wir mit Blättern das verbackene Schmieröl aus der Radkappe heraus, so gut es ging. Anschließend schlug Felicité vor, nach den Wurzeln von Wasserpflanzen zu suchen. Irgendwo hatte sie aufgeschnappt, dass man die essen könnte, es gäbe sogar ein Gericht daraus, sie komme jetzt nicht auf den Namen, das gelte als schmackhaft. Schmackhaft, das sagte sie tatsächlich. Wir könnten die Wurzeln ja sicherheitshalber abkochen. Mit dem Rest von Ze Zés Messer schnitten wir uns Stöcke, um uns auf den Brettwurzeln der Uferbäume abzustützen. So kamen wir besser voran.
    Es ging auf Mittag zu. Wolken schoben sich hinter den Baumkronen in die Höhe. Wo wir bei unserer Suche aus dem Schatten herauskamen, brannte jeder Fleck Haut, den wir nicht bedeckt hielten. Die Sonne saugte nahezu spürbar das Wasser aus dem Sumpf. Man hatte das Gefühl, dass alle organischen Zellen unter der Strahlung vibrierten, die ihren Stoffwechsel an den Rand des Kollabierens trieb. Bei mir waren es vor allem die Eingeweide, die sich rührten, mein Stoffwechsel hätte etwas Energiezufuhr gut vertragen können. Eine Schildkröte festzuhalten, hätte ich mir noch zugetraut, aber ein Krokodil? Wo musste man ein Krokodil festhalten, hinten oder vorn? Ich hätte es mir vorher gerne mal zeigen lassen.
    Ich hatte mittlerweile solchen Hunger, dass die Gänge sämtlicher Menüs, die ich in der Lodge verzehrt hatte, schon mehrfach an meinem inneren Auge vorbeigezogen waren. Inzwischen war ich eher bei den einfachen Dingen angelangt. Wenn man großen Hunger hat, glaube ich, denkt man nicht an komplizierte Küche. Ein frisches Brötchen, dachte ich. Ein Apfel. Ein weich gekochtes Ei. Die Radkappe presste ich an mich wie eine Schüssel aus Meißener Porzellan. Darin, hoffte ich, würde bald unser Essen köcheln, vielleicht annähernd so etwas wie eine leckere Gemüsesuppe, wenn ich mir etwas Kühnes wünschen durfte.
    In der Uferzone fanden wir schließlich große, vielversprechende Pflanzen mit langen Blättern. Wir zerrten an ihnen, um ihre Wurzeln ans Licht zu befördern. Als ich mir zum ersten Mal die Finger an den scharfen Blättern geschnitten hatte, wickelte ich mir ein Stück Stoff um die Hand, damit ging es besser. Tatsächlich förderten wir fette, weiße Wurzelstrünke zutage, die so aussahen, als enthielten sie einiges an Nährstoffen. Wir schnitten ein paar Pfund davon ab und beschlossen die Rückkehr.
    »Wir probieren zuerst nur ein ganz kleines Stück«, sagte Felicité. »Wenn wir es vertragen, essen wir mehr.«
    Ich nickte stumm, schulterte meinen Behelfsrucksack mit den Wurzelstrünken darin und dachte an ein Brötchen. Die braune Kruste gab ein leises Krachen von sich, als ich die Butter daraufstrich. Es war noch warm, das Brötchen, frisch gebacken, die Butter schmolz an den Rändern leicht an. Ich griff nach der Marmelade, Aprikosenmarmelade, dann machte ich dummerweise die Augen wieder auf, und das Marmeladenglas verschwand in einer Zeitschleife.
    Die Wolken hatten unsere Lichtung bereits überquert, sie schoben sich über uns zusammen. Die Frösche quakten wie verrückt, und die Mücken stachen mit vorhersagbarer Regelmäßigkeit. Ich zupfte mein Reservehemd zurecht,

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