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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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nicht alt aus, dennoch wirkte er nicht jung, sein Körper mit den gut sichtbaren Muskelsträngen sah so aus, als habe er schon einiges damit gemacht.
    Felicité brach schließlich den Bann, indem sie sich hinsetzte. Mich zog sie am Arm zu sich auf den Boden herunter. Dazu begrüßte sie den kleinen Mann sehr höflich auf Französisch. Dann griff sie in ihre Tasche, holte eine unserer jüngst geernteten Wurzeln heraus und hielt sie dem Mann zusammen mit einem der wassergefüllten Tetrapaks hin.
    Er reagierte nicht. Felicité stand auf, ging drei Schritte auf den Mann zu und stellte die Sachen vor ihm auf den Boden. Dann kam sie zurück und setzte sich wieder zu mir. Ich war sehr einverstanden mit dem, was sie tat. Zumindest ich hatte es verstanden und bewunderte ihr Talent für primitive Diplomatie.
    Der Mann bewegte sich. Er machte ein paar Schritte auf uns zu und blieb bei dem Tetrapak stehen. Bückte sich danach und roch an der zugefalteten Öffnung. In seinem Gesicht zeigte sich zum ersten Mal eine Regung. Seine Mundwinkel gingen nach unten. Er schnupperte noch einmal an dem Tetrapak.
    »Schüs?«, fragte er.
    Er schüttelte missbilligend den Kopf und stellte den mit Wasser gefüllten Behälter wieder hin. Die Wurzel, die wir danebengelegt hatten, beachtete er nicht. Dann wandte er sich ab und ging zielsicher Richtung Gebüsch. Er verschwand darin so mühelos, als habe jemand eine Schiebetür flink auf- und zugemacht. Zehn Sekunden später, in denen Felicité und ich noch immer auf die Stelle starrten, an der er verschwunden war, und ich schon dachte, er hätte genug von uns, tauchte er wieder auf. An seiner Hand baumelte etwas Schweres, Rundes. In der anderen hielt er noch immer die Armbrust. Mit ihm erschien ein Hund. Ein magerer, kurzhaariger Hund, der uns mit gesenktem Kopf genauso entgeistert ansah wie wir ihn. Er gab keinen Laut von sich, blieb mit hochgestellten Ohren hinter dem Mann stehen, als der seine Last neben dem gelben Tetrapak auf den Boden plumpsen ließ. Das runde Ding lag am Boden und wackelte selbstständig mit dem Henkel, an dem der Mann es gehalten hatte. Ich fasste es näher ins Auge und erkannte, dass es eine Schildkröte war, die auf dem Rücken lag und ihre Beine bewegte. Der Hund schnüffelte kurz an ihr, dann zog er sich wieder hinter den Mann zurück.
    »Okay, Bern’«, flüsterte Felicité, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. »Wir haben vielleicht – aber nur vielleicht, verstehst du –, wir haben mehr Glück als Verstand.«
    Der Pygmäe grinste uns an, zwei Eckzähne leuchteten in seinem Mund auf, die Schneidezähne waren nicht an ihrem Platz.
    »Okay«, stellte er fest.
    Wir machten uns bekannt. Der Mann hieß M’bale. Aus seinem Beutel ragten Pfeile, die zu der Armbrust gehörten. Ihre Spitzen steckten gut verwahrt in einer festen, aus Rindenstreifen geflochtenen Hülle. M’bale sprach etwas Französisch, vielleicht so viel wie ich, das er mit englischen Brocken mischte. Felicité holte die wenigen Zigaretten aus der Tasche, die trocken geblieben waren. Es waren noch acht. Wir rauchten zusammen, und M’bale schlug vor, zur Feier unseres Kennenlernens die Schildkröte zu essen.
    Ich war halb ohnmächtig vor Hunger. Eine Schildkröte hatte ich noch nie gegessen, aber ich war in einem Zustand, in dem ich alles gegessen hätte, was man auf einen Teller legen konnte. Ich zweifelte außerdem nicht daran, dass M’bale die Schildkröte in landestypischer Weise schmackhaft für uns zubereiten würde. Um einen Arm voll halbwegs trockener Äste aus dem Dickicht herbeizuholen, brauchte er fünf Minuten. Dann entfachte er ein Feuer mit Hilfe von Felicités Feuerzeug und etwas Zunder, den er in seinem Beutel bei sich hatte. Während wir abwechselnd in die Flamme bliesen, erzählte uns M’bale, dass seine Leute ganz in der Nähe wären. Nur einen Tag entfernt: »Mes gens.« Er sei vorausgewandert auf der Suche nach einer Gegend für die Jagd.
    M’bale nannte ein paar Tiernamen und machte illustrierende Bewegungen mit den Händen, wir verstanden aber nur »Elefants«, sonst nichts, und M’bale lachte, weil wir keine Ahnung hatten. Schüttelte den Kopf über uns seltsame Zeitgenossen. Er habe unser Flugzeug im Sumpf bereits begutachtet, erfuhren wir, und er hätte auch den Rauch gesehen, der gestern von unserem Feuer aufgestiegen war. Der Regen, meinte er, habe unsere Hütte zerstört.
    »Mal maison«, sagte er. »Très mal«, und lachte wieder ohne Schneidezähne, haute sich ein

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