Gabun - Roman
das ich mir zum Schutz über den Nacken gelegt hatte. Da änderte sich das Licht, als habe man einen Dimmer auf »Dunkel« geschoben. Ich schaute noch einmal nach oben. Die Sonne wurde von einem Ensemble grauer Wolkentürme verdeckt, die ich sofort als Gewitterwolken erkannte.
»Wann fängt die Regenzeit an?«, fragte ich.
Klar, ich denke immer zuerst an das Schlimmste.
»Ich glaube, im September«, antwortete Felicité, den Blick auf die Wolken gerichtet, die so schnell in die Höhe wuchsen, dass man ihnen dabei zusehen konnte. »Aber es kann hier jederzeit regnen. Es gibt äquatoriale …«
Wie zur Bestätigung rollte Donner hinter den Baumwipfeln heran, polterte in verschiedene Richtungen auseinander und verlor sich mit feuerwerksartigem Krachen irgendwo. Wind kam auf.
»Äquatorialgewitter«, sagte Felicité leise, als habe ihr jemand verboten, das Wort auszusprechen.
»Wir gehen ins Flugzeug«, schlug ich vor.
Unsere Hütte war vor meinem inneren Auge erschienen und was aus ihr werden würde, wenn es einen Wolkenbruch gab.
»Und unsere Sachen?«
»Welche Sachen?«
»Die Kleider, das Gewehr. Was wir dort gelassen haben.« Felicité schaute wieder nach oben. »Die restlichen Zigaretten«, fügte sie an, in kläglichem Ton.
Der Wind griff in die Bäume am Ufer. Die Wipfel bogen sich zur Seite, eine Wolke aus dürren Blättern stob aus ihnen heraus, verteilte sich in der Luft wie ein Starenschwarm und fiel als brauner Regen auf den Sumpf herunter. Ein Blitz tauchte alles für zwei Sekunden in kaltes Licht, Donner polterte hinterher. Das Wasser in den Pfützen kräuselte sich, und der Wind legte noch einmal zu. Ein Stück einwärts im Wald knackste es. In dem Augenblick, als ich das unmissverständliche Knacken und Brechen hörte, das ein fallender Baum verursacht, ein großer Baum, entschied ich, dass wir keine Alternative hatten. Der Baum knallte dumpf auf den Boden, alles schwankte. Um uns schaukelte das Wasser in den Löchern.
»Okay. Beeilen wir uns«, sagte Felicité.
Das taten wir. Ein weiterer Blitz verwandelte Felicité, die vor mir mit ihrem Stab und der Tasche auf dem Rücken im aufspritzenden Wasser durch den Sumpf rannte, in ein bedrückendes Bild aus einer schlimmen Zukunftsvision. Die letzten Menschen, dachte ich, verloren, versprengt in den Wäldern. Retten sich in die Überbleibsel der Zivilisation. Wir hasteten durch den Sumpf, zu gleicher Zeit klatschten die ersten Tropfen herunter. Hart wie Hagel, von größerer Dichte scheinbar, als Wasser sie haben kann, sie trafen mich schmerzhaft wie Geschosse am Rücken und an den Armen. Als wir am Flugzeug die Tür aufrissen und uns gegenseitig hineinschoben, waren wir bereits nass bis auf die Haut. Wir hörten unseren lauten Atem, als auf dem Blech des Rumpfes der Wolkenbruch zu dröhnen begann. Alle Fenster waren sofort beschlagen. Es wurde dunkel.
»Nom de Dieu.«
Felicité strich sich die nassen Haare zurück und legte den Kopf schräg, um mit beiden Händen das Wasser herauszudrücken. Sie lächelte mich hinreißend an. Mich, Bernd den Sammler, der einen Topf ergattert hatte.
»Das Wasser!«, rief sie auf einmal. »Wir müssen Wasser sammeln. Komm, schnell, solange es regnet.«
Ein Donnerschlag zerriss die Luft über dem Sumpf, und ein paar Blitze beleuchteten die Schicht aus herunterlaufendem Regen auf den Kabinenfenstern. Wir klaubten die Tetrapaks aus den zerrissenen Müllsäcken heraus, falteten sie auseinander, rissen sie auf. Ich stemmte die Tür auf und ging nach draußen in den trommelnden Regen, der alle Farben in Grau verwandelt hatte bis auf den hellen Flugzeugrumpf, der in einen leuchtenden Mantel aus zerspritzenden Tropfen gehüllt war. Sofort war ich nass, als wäre ich aus einem Schwimmbecken gestiegen. Ich spähte nach einer Stelle, wo das Wasser heruntertroff, und fand sie an einer Ecke des Flügels. Dort füllte ich die Tetrapaks, die mir Felicité herausreichte. Wir füllten alle Tetrapaks, die wir im Müll fanden. Als der zehnte voll war, tranken wir uns satt und füllten ihn gleich wieder auf.
Der Regen dauerte vielleicht zwei Stunden. Dann zogen die Wolken ab, als öffne man einen Vorhang, und die Sonne brannte wieder vom Himmel. Alles dampfte in der Hitze. Wir standen nebeneinander auf dem Flügel. Während wir die Kleider am Leib trocknen ließen, überlegten wir, was wir aus dem Flugzeug noch mitnehmen könnten. Es fiel uns nichts ein.
Also schulterten wir schließlich die Tasche mit den Wurzeln und der
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