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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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geküsst«, sagte ich, es rutschte mir so heraus.
    »Du hast es versucht«, sagte Felicité. »Aber du wolltest es nicht.«
    »Doch. Ich wollte schon«, sagte ich.
    »Vielleicht wollte ich es nicht«, sagte sie. »Wie war das gleich mit deinen Ameisen? Ihr Prinzip ist Restriktion, hast du gesagt. Sie gehen damit restriktiv um. Mit Sex.«
    Ich konnte dem nicht widersprechen. Die Ameisen ließen einem nicht viel Spielraum: entweder eine unfruchtbare Arbeiterin oder ein todgeweihter Bräutigam. Und wer hier die Königin war, daran gab es keinen Zweifel. Ich wollte es nicht noch genauer wissen.
    Ich lächelte ein Untertanenlächeln. Stand auf und ging hinüber zu den Flaschen mit Sumpfwasser, die nun seit Stunden in der Sonne gelegen hatten. Nahm eine davon in die Hand und hob sie gegen das Licht. Das Wasser hatte eine gelbliche Farbe wie verdünnter Urin. Ich sah mir die undefinierbaren kleinen Teilchen an, die darin trieben, und stellte die Flasche wieder auf den Boden.
    »Wir sollten das nicht trinken«, entschied ich.
    Felicité hob die Brauen. »Was möchtest du stattdessen trinken?«
    »Ich gehe noch mal zum Flugzeug. Da muss es irgendwas geben, was man als Topf benutzen kann. Damit wir das Wasser abkochen können.«
    Felicités Brauen blieben oben. »Okay«, meinte sie. »Nimm eine Tasche und das Messer mit, falls du unterwegs was zu essen findest.«
    Das Flugzeug machte den Eindruck, als wäre es immer schon da gewesen. Wolken von Stechmücken trieben über den Schilfbüscheln, Libellen surrten dicht über dem Wasser an mir vorbei wie Wurfpfeile, die mich knapp verfehlten. Ich sah auf meine aufgeweichten Stiefel hinunter, für die ich in einem Berliner Outdoorladen hundertfünfzig Euro bezahlt hatte. Dafür waren sie gemacht. Um durch afrikanische Sümpfe zu waten. Ein paar Blutegel würde ich abkriegen; wenn ich schnell war, hatten sie weniger Chancen, an meine bloße Haut zu kommen. Die Hälfte unserer Heftpflaster klebte bereits an Felicités Waden.
    Ich lief los, aus dem Uferschatten hinaus in das gleißende Sonnenlicht, durch das spritzende Wasser auf das Flugzeug zu. Hinter mir juchzte es ermutigend. Nach zwei Minuten war ich an der Tragfläche und zog mich zur Tür hinauf. Da stach mich etwas heftig in den Oberschenkel. Ich ließ den Stock ins Wasser fallen und erschlug mit der flachen Hand eine getigerte Bremse auf meiner Hose, drei Zentimeter lang, ein paar weitere zogen bereits enge Kurven um meinen Kopf. Ich sperrte sie zusammen mit der Wolke Mücken aus, indem ich die Tür von innen zuschlug, als ich drin war.
    Robinson, hilf mir, dachte ich, während mir in der Bruthitze der Kabine sofort der Schweiß aus den Poren zu tropfen begann. Was konnte man hier zu einem Topf machen? Ich rüttelte an den Sitzen, zerrte an der Verkleidung, am Ende schlug ich voller Wut auf die Lenkräder ein, die nutzlos aus dem Müll herausragten. Setzte mich auf die Bank im Cockpit und überlegte, ob es mich emotional erleichtern würde, wenn ich weinte. Mir war danach. Aber es klappte nicht, die Tropfen, die von meiner Nase fielen, waren Schweißtropfen. Dann dachte ich an meinen Subaru. Ein Auto und ein Flugzeug sind sich in manchem ähnlich. Wo würde ich an einem Auto etwas finden, woraus man einen Topf machen konnte?
    Und mir fiel etwas ein. Ich würde eine Radkappe nehmen. Falls sie nicht aus Kunststoff war wie bei meinem Subaru. Autos hatten heutzutage Radkappen aus Kunststoff, aber ein altes Buschflugzeug? Mit der Energie, die einem eine gute Idee verleiht, stieß ich die Tür auf, der Mückenschwarm schwenkte herein, an mir vorbei, ich duckte mich darunter weg aus der Kabine, knallte die Tür zu und hangelte mich, durchs Wasser platschend, nach hinten zum Leitwerk, um nach dem abgerissenen Fahrwerk zu suchen. Sechzig, siebzig Meter weiter hinten im Sumpf sah ich tatsächlich eines der Räder bei einem Grasbüschel liegen. Und eine Radkappe war auch daran.
    Zehn Sekunden später stand ich dort. Die Blutegel mühten sich vermutlich ab, durch die Stiefelverschnürung an meine Beine heranzukommen, die ersten Schnakenstaffeln landeten auf mir und senkten ihre Rüssel in meine Haut. Es war mir egal, für die Dauer von ein paar Herzschlägen. Ich war stolz. So stolz, wie ich mich nicht erinnerte, jemals gewesen zu sein. Ich hebelte die Radkappe mit Ze Zés Messer ab, dabei büßte es leider zwei Zentimeter von der Spitze ein, hielt das schüsselförmige Ding über den Kopf und schrie, so laut ich konnte, zu Felicité

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