Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
Vom Netzwerk:
paarmal auf die nackten Schenkel.
    Und unsere Sachen? Hatte er die dort drüben so hübsch aufgestellt?, wollten wir wissen. Als wir auf das seltsame Arrangement deuteten, auf das Gewehr, die Tasche und den widerlichen Schädel davor, veränderte sich M’bales Gesichtsausdruck.
    »Oui«, sagte er leise. »Je fait.«
    Der Hund, der mit heraushängender Zunge neben ihm am Boden lag, spitzte sofort die Ohren, als er den anderen Klang in der Stimme seines Herrn vernahm.
    »Maka«, flüsterte M’bale.
    Und noch ein paar Worte, die ich nicht verstand. Wir fragten nach, aber er schüttelte den Kopf und sah uns dabei an, in seinem Gesicht lag eine Bitte. Er legte den Zeigefinger auf die Lippen. Felicité warf mir einen Blick zu, die Unterlippe vorgeschoben. Ich nickte, hatte verstanden: Nicht fragen.
    Als das Feuer ordentlich brannte, richtete sich M’bale aus der Hocke auf und holte die Schildkröte. Ich rüstete mich seelisch dafür, dass er sie jetzt töten würde, und sagte mir: Bernd, das hältst du aus. Du musst ja nicht hinsehen.
    Aber auf das, was dann kam, war ich nicht vorbereitet. Er schob das Tier einfach ins Feuer, ruckelte es zurecht wie einen Kochtopf und setzte sich gemütlich daneben. Die hilflos auf dem Rücken liegende Schildkröte ruderte mit den Beinen. Sie besaß Schwimmhäute und drehte ihren Kopf, mit einer Art Rüssel daran, jetzt heftig hin und her. Ich sprang auf und wollte sie herausholen, aber Felicité hielt mich am Arm fest.
    »Bleib sitzen, um Himmels willen«, zischte sie. »Nimm dich zusammen.«
    Dem Anblick konnte ich ausweichen, indem ich wegsah, aber nicht dem Ereignis, das einen halben Meter vor meinen Füßen stattfand. Obwohl ich unverwandt auf die grüne Blätterwand vor mir starrte, nahm ich dennoch wahr, wie die Schildkröte, die offenbar ihre Beine und den Kopf nicht unter den Panzer zurückziehen konnte, sich qualvoll zu Tode zappelte, während ihr Panzer in der Hitze zu knacken anfing. Ich schaute an M’bale vorbei, der ungerührt die Position unseres Abendessens in eigener Schale ab und zu prüfte und mit der Spitze seiner Machete ein wenig korrigierte. Er warf mir einen Blick zu und grinste. Führte die Finger mit einer Stopfbewegung an seinen offenen Mund.
    »Faim?«, fragte er.
    Eine Fehlinterpretation meines Gesichtsausdrucks. Ich nickte verstört. M’bale griff hinter sich in seinen Beutel und förderte eine hölzerne Dose zutage, gefertigt aus zwei ineinandergesteckten Stücken Bambus. Er zog den Deckel ab und reichte mir das steinzeitliche Gefäß vorsichtig herüber, ein erwartungsvolles Leuchten im Gesicht, als handle es sich um eine geöffnete Dose Kaviar. Felicité beugte sich vor und nahm es an meiner Stelle entgegen, befürchtete wohl, ich würde mich danebenbenehmen. Sie schnupperte daran.
    »Das ist Honig«, sagte sie begeistert.
    Der kleine Jäger nickte ein paarmal, schnalzte dazu mit der Zunge.
    Wir leckten den Honig, der schwarz war wie Teer, von unseren Fingern herunter, die wir in die Bambusdose hineintauchten. Der Honig schmeckte pfeffrig, würzig süß und so verführerisch wie die Nahrung der ersten Menschen. Als ich zwei tote Bienen an meinem Zeigefinger kleben hatte, zögerte ich einen Moment, aber zu meiner eigenen Überraschung störte es mich kaum, denn der Geschmack war überwältigend. Die winzigen Bienen, die M’bale mit eingesammelt hatte, waren vielleicht ein Drittel so groß wie unsere europäischen Bienen, nicht viel größer als Stubenfliegen. Wir mussten uns beherrschen, sonst hätten wir ihm den ganzen Honig weggefuttert.
    In der Zwischenzeit hatte es im Feuer zu zischen begonnen. Ich sah hin. Hielt innerlich meinen Magen fest. Die Schildkröte war jetzt tot, das nahm ich wenigstens an. Ihre Füße standen still. Auf der schuppigen Haut hatten sich Blasen gebildet. Ich sah doch lieber wieder weg.
    M’bale schwatzte ohne Unterlass. Der Verständigungsanteil lag vielleicht bei zwanzig Prozent. Das merkte er nicht, oder es war ihm gleichgültig. Es reichte ihm, dass wir zuhörten. Er sprach zum größten Teil in seinem Idiom, streute französische Halbsätze oder englische Brocken ein. Felicité dolmetschte, indem sie einen Teil seiner Sätze auf Französisch wiederholte, um zu prüfen, ob es das war, was er gesagt hatte.
    Wir erfuhren, dass die Gruppe, der er angehörte, vierzig Leute umfasste, davon acht erwachsene Männer, die anderen Frauen und Kinder. Dass viele Kinder inzwischen gestorben waren, weil man den Ort verlassen musste,

Weitere Kostenlose Bücher