Gabun - Roman
solchen Gedanken wartete ich darauf, dass die Suppe fertig war, und hörte M’bale zu, der uns von der Affenjagd erzählte.
»C’est tout simple.«
Affen seien verrückt nach Salz, erklärte er, langte in seinen Beutel und zeigte uns eine alte Plastiktüte, die mit einer Lederschnur zugebunden war: »Sel.«
Er gehe dorthin, wo Affen wohnten, M’bale wies mit der Hand über seinen Rücken hinweg, als wäre die Richtung klar, in der man Affen finden konnte. Dort stecke er die Skorpione an einen Baum. M’bale imitierte illustrierend mit den Fingern das Zappeln ihrer Beine. Und dann streue er ein bisschen Salz darauf. Danach brauche er nur zu warten.
»Demi-heure.«
Dann kämen die Affen und holten sich die gesalzenen Skorpione.
»Et alors.« M’bale klopfte auf seine Armbrust.
Wir aßen zusammen unsere Suppe. Mit der Miene eines Wohltäters streute M’bale uns aus seiner Tüte Salz auf das Fleisch. Andere Gewürze gab es nicht. In der Brühe schwamm auch der Kopf des Affen. Gekocht sah er noch um einiges schauderhafter aus als mit frisch abgezogener Haut. Aber wie schon gesagt – ich hatte mir vorgenommen, diese Mahlzeit durchzustehen. Ich aß das Fleisch, das übrigens sehr gut schmeckte, mit Heißhunger. Es war mir gelungen, mir einzubilden, dass es sich um ein Kaninchen handle, über die anatomischen Unterschiede sah ich einfach hinweg. Am Schluss der Mahlzeit blieben der besagte Kopf und die Hände und Füße des Affen übrig. Diese Leckereien nötigten wir M’bale auf. Der gab schließlich nach, meinte aber, wenigstens das Gehirn hätte er uns schon gern angeboten, es wäre zum einen eine Delikatesse, »très fort«, und außerdem gut für Sex: »Pour baiser.« Dazu zwinkerte er uns verschwörerisch zu und schlug sich auf die Schenkel.
Wir beteuerten übereinstimmend, wir wären wirklich schon sehr satt. Daraufhin klaubte er sich mit Stielaugen den Kopf aus der Brühe. Felicité ließ mich ohne Widerrede gehen, als ich in diesem Moment vorgab, ich müsse kurz mal austreten. Ich musste also nicht dabei zusehen, wie M’bale den Schädel auseinanderhackte. Als ich zurückkam, knackte es bereits aus Richtung des vierbeinigen Jagdbegleiters und Endverwerters. Zum guten Schluss schöpften wir aus der Radkappe die Brühe mit einer Blechtasse, die M’bale aus seinem Sack hervorzauberte. Wir durften noch einmal extra aus der Tüte nachsalzen.
Danach saßen wir satt um das Feuer und warteten auf die Nacht. Während die Geräusche des Abends einsetzten, erfuhren wir von der Odyssee seines kleinen Stammes. Vor zwei Jahren, erzählte M’bale, habe man noch in der Nähe eines Dorfes wohnen können. Dort lebten nette Leute. Mit denen habe man Handel getrieben, habe Fleisch aus dem Wald gegen Messer getauscht, gegen Kochtöpfe, Zigaretten, Medikamente. Dann kam der Krieg. Er komme immer mit den Leuten aus dem Norden und aus dem Osten. Das seien Leute, die ständig Krieg führten: »Méchant.« Wenn sie kämen, töteten und plünderten sie, die Männer brächten sie auf der Stelle um, die Frauen nähmen sie mit fort, später würden auch sie getötet.
Diese Leute seien eines Tages gekommen und hätten in einer Stunde alle Einwohner des befreundeten Dorfes getötet: »Kalasniko. Tatatata«, und viele von seinen eigenen Leuten. M’bale streckte die Finger beider Hände zweimal aus. Zwanzig Männer, Frauen, Kinder des Stammes seien erschossen worden. Die anderen hätten sich nur retten können, weil er, M’bale, eine versteckte Stelle kannte, an der man den Fluss überqueren konnte, um in den Wald zu fliehen. Seitdem sei er mit dem Rest der Gruppe auf Wanderschaft. Ab und zu gehe man zur Straße, aber nur zu zweit. Zwei Männer, er und Azik. Mit Fleisch: »Bushmeat«, um von den Fahrern Sachen einzutauschen. Seine anderen Leute müssten sich so lange versteckt halten. An der Straße sei es zu gefährlich.
Nach dieser Mitteilung schwiegen wir, jeder in seinen Gedanken. Ich überlegte, ob es nicht klüger wäre, bei M’bale im Wald zu bleiben und weiter Affenfleisch zu essen, als mich mit einem Beutel voller Diamanten auf diese gefährliche Straße zu begeben.
Mit solchen Gedanken schlief ich lange nicht ein. Ich horchte auf die Geräusche der Nacht und auf die ruhigen Atemzüge von Felicité und M’bale. Draußen wachte der Hund. Ich fühlte mich sicher in Gegenwart des kleinen Jägers. Ich hatte ihm seinen grausamen Umgang mit Tieren vergeben, ich verstand, dass es hier anders war. Im Dunkel des Waldes, in
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