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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Rücksicht auf uns sicher einen Gang zurückgeschaltet hatte. Der halb dunkle Wald begegnete uns nun anders, wir hatten ein Ziel, wir gingen auf einem Weg. Immer wieder stach ein Strahlenbündel durch das Laubdach, streifte uns, tauchte M’bale und Felicité, die vor mir gingen, in ein magisches Licht mit irisierenden blauen und roten Rändern. Und wieder verbarg sich alles, was Beine oder Flügel hatte. Nur einmal, als ich pinkeln musste, kamen aus dem Nichts Schmetterlinge. Sie interessierten sich sehr für meinen Urin, flatterten um den Strahl herum, und es wurden immer mehr. Schließlich stritten sich ein Dutzend Falter um die versickernde Pfütze, sie waren fast so groß wie meine Hand, von einem wunderbaren Cremeweiß mit orangeroten Streifen. Selbst als ich mich wieder auf den Weg machte, blieben sie noch an Ort und Stelle, auf unerklärliche Weise von den Duftstoffen fasziniert, die ich abgesondert hatte.
    Meine Stiefel begannen, Risse zu bilden. Es tat ihnen nicht gut, ständig nass zu werden und wieder zu trocknen, ohne dass man sie einfettete. Aber das war nichts gegen Felicités Schuhe, die beinahe auseinanderfielen. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie M’bales Fußsohlen aussehen mussten. Vielleicht war die menschliche Hornhautproduktion in der Lage, eine bissfeste Schicht von einem Zentimeter Dicke zu produzieren. Dann brauchte man keine Ledersohlen mehr unter den Füßen.
    Die kleine Siedlung tauchte unversehens auf. Wir traten aus den Büschen und waren schon fast mittendrin. Eine Gruppe Frauen stand zusammen, sie wandten uns die Gesichter zu. Alle sehr klein, ihre Köpfe kamen mir ein wenig zu groß für ihre Körper vor. Eine trug ein Baby auf dem Arm, sie war bis auf ein zusammengedrehtes Tuch nackt und starrte uns mit unbewegter Miene an. Drei kleine Kinder kamen erschrocken angelaufen und hielten sich an den Hüfttüchern der Frauen fest. Niemand sagte ein Wort, niemand verzog das Gesicht. Wir kannten das schon. Vorbereitet durch die erste Begegnung mit M’bale, begrüßte Felicité die Gruppe auf Französisch, ich sagte ein paar nette Worte auf Deutsch. Auf den Klang kam es an. Ich versicherte, wie froh ich wäre, dass man mich hierher eingeladen habe, und dass ich mir fest vorgenommen hätte, mich gut zu benehmen.
    Die Gruppe entspannte sich, was man daran sehen konnte, dass die Kinder ihre Mütter losließen und ein paar Schritte näher kamen, um uns fasziniert aus der Nähe anzustarren. Der Bann war gebrochen.
    M’bale, der seit der Begrüßung ohne Pause redete, stellte uns verschiedenen Männern und Frauen vor, die nacheinander auf dem Dorfanger erschienen. Einer war dabei, der mir schon sehr alt erschien. Er hatte eine wüst aussehende Narbe, die sich über Nacken und Schulter zog, und reichte mir als Einziger nach europäischer Manier die Hand. Der narbige Alte grinste zahnlos und hustete ein Lachen heraus. M’bale schlug ihm auf die Schulter und stellte ihn vor.
    »’Ta. Beaucoup des éléphants.«
    Beide lachten ausgelassen, mit zusammen weniger als einem halben Zahnstatus, und M’bale spreizte die Finger beider Hände ein paarmal, um die Anzahl der von ’Ta erlegten Elefanten anzudeuten. Dann zeigte er auf die Narbe an der Schulter des Alten. »Léopard«, sagte er, packte den Mann um den Hals und schüttelte ihn ein bisschen hin und her, um zu illustrieren, welche Art Jagderlebnis das gewesen war. Der Alte drückte dazu die Augen zu und lachte meckernd wie eine Ziege. Ich war beeindruckt.
    »Manger«, sagte M’bale, als die Begrüßung zu Ende war, und wir setzten uns auf den Dorfplatz zwischen einem Dutzend Hütten nieder, exakt so gebaut wie die unseren der letzten Tage, um das zweite Frühstück zusammen mit Freiwilligen aus M’bales Volk einzunehmen.
    Ich war froh darüber, dass es wieder die Fladen mit dem gewissen Stich gab, dazu bekamen wir winzige gekochte Eier unbekannter Herkunft und Zwergbananen, die noch kleiner waren, als sie proportional zur Körpergröße unserer Gastgeber hätten sein müssen. Wir aßen alles auf.
    Die Unterhaltung bestritt M’bale, der als guter Gastgeber Konversation machte und uns zwei seiner Kinder vorstellte. Einen vielleicht achtjährigen Jungen, der uns zeigte, wie er seine Backen aufpumpen konnte, und ein herangeschlendertes halbwüchsiges Mädchen mit verträumten Augen, die kein Wort Französisch sprach. Stattdessen zwitscherte sie mit ihrem Vater eine Weile, als wäre sie ein Vogel in Menschengestalt. Die gefühlte Thematik

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