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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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Frühlingsrollen darin. Woher bekam man im Urwald derart hübsch gefaltete Blättertaschen mit Frühlingsrollen darin? Auf den ersten Blick sahen sie wirklich so aus wie Frühlingsrollen. Allerdings nur auf den ersten Blick. Frühlingsrollen krümmen nämlich nicht selbstständig ihre Hinterteile hin und her. Die weißlich gelben Dinger, die auf dem geöffneten Blatt lagen, waren große Insektenlarven. Die Larven einer Monsterinsektenart. M’bale musste sie irgendwo ausgegraben haben, oder er hatte sie unter der Rinde eines Baumes herausgepult. Ich brachte nur ein frostiges Lächeln zustande. Felicité stieß mir den Ellbogen in die Seite und bedankte sich enthusiastisch, worauf M’bale zufrieden nickte. Sie erkundigte sich bei ihm, ob man – ehm, das da – gekocht essen könne. Ich hörte die Hoffnung heraus, es möge so sein, denn roh hätten wir sie nicht herunterbekommen, ich jedenfalls nicht.
    »Du feu«, bestätigte M’bale.
    Wir würden hier übernachten, teilte er uns mit. Eine Tagesetappe für ihn war keine für uns, er hatte das inzwischen verstanden. Dankbar halfen wir ihm, eine neue Hütte zu bauen. Immer das Erste, noch vor dem Essen: der Hüttenbau. Ich ahnte, dass das sinnvoll sein konnte, dazu brauchte ich mich nur an das überfallartig losbrechende Gewitter von gestern zu erinnern. Auch diesmal ging der Hausbau schnell, wir hatten inzwischen schon mehr Routine. Aber so rechten Appetit hatte ich nicht auf Insektenlarven, auch wenn mir der Hunger in den Eingeweiden bohrte.
    Beim anschließenden Feuermachen versagte Felicités Feuerzeug. Es kam keine Flamme mehr zustande, das Gas war aufgebraucht. Felicité versuchte, mit einer Serie von Funken den Zunder zu entfachen, aber M’bale legte seine Hand auf ihren Arm.
    »Arrête«, sagte er.
    Er machte ein bedeutungsvolles Gesicht und kramte in seinem Umhängesack. Holte ein kleines Stück Bambus heraus, etwa fingerlang, in dem ein kleiner Stöpsel aus Knochen steckte.
    »Zippo africain«, sagte er und grinste uns an.
    Er zog den Stöpsel aus dem Rohrstück und behielt ihn zwischen zwei Fingern, während er aus seinem Lederbeutel eine Prise Zunder herausholte und ihn in das offene Röhrchen hineinbröselte. Dann setzte er den Stöpsel auf und klopfte mit der Handfläche leicht darauf. Der Stöpsel saß satt im Loch. M’bale zog ihn fast auf die ganze Länge heraus. Dann ein kurzer, harter Schlag darauf, M’bale zog ihn aus dem Röhrchen und ließ ein glimmendes Stück Zunder auf unser Feuernest fallen. Blies vorsichtig darauf. Schaute zu uns hoch.
    »Zippo grand-père«, sagte er.
    Wir waren hin und weg. Kompressionszündung, sagte jemand in meinem Hinterkopf, und wir wunderten uns gemeinsam. Der Dieselmotor funktionierte, soviel mir bekannt war, ebenfalls auf diese Weise. Wer kommt auf so etwas in der Steinzeit? Mein früherer Physiklehrer wusste es auch nicht.
    Als das Feuer brannte und sich in die größeren Äste hineinfraß, kramte M’bale noch einmal in seinem Sack, holte ein paar Zigarettenstummel heraus und dazu zu unserer Überraschung ein silberglänzendes Benzinfeuerzeug. Er verteilte die Kippen, ließ sein Feuerzeug klicken und erfreute sich an unseren entgeisterten Gesichtern, mit denen wir die Flamme ansahen, die er an unsere Zigarettenstummel hielt. Paffend zuckte er die Achseln und wandte sich seinen Insektenpuppen zu. Er sortierte sie auf zwei großen Blättern, ehe er sie vorsichtig in die Glut legte, die großen zuerst. Sie krümmten sich. Ich war froh, dass sie es nach einer Minute schon bleiben ließen. Nach drei Minuten erklärte M’bale sie für fertig.
    Sie schmeckten ein wenig wie Crevetten, waren weicher im Biss, aber eigentlich gar nicht übel. Etwas in mir, ein Reflex aus der Altsteinzeit, kam ihnen entgegen, dem sauberen Äußeren und der einheitlichen Konsistenz. Ich dachte an Fischstäbchen, auf diese Wiese ging es.
    Nach dem Essen verkündete uns M’bale, dass er morgen alleine weitergehen werde – aber: »Je reviens.« Er werde wiederkommen und uns abholen.
    Seine Leute würden ungeduldig, er müsse sich bei ihnen melden. Er werde uns holen, und wir würden mit seinen Leuten essen. Danach werde er uns zur Straße bringen: »Vers la route.«
    Welche Straße? Wohin die führe? M’bale zuckte die Achseln.
    »Katanga route«, sagte er. »Vers le nord. Trafic. Grand voiture.«
    Wir waren also in Katanga. Zu welcher Stadt die Straße führe, wollte Felicité wissen. Dazu konnte er uns keine Auskunft geben. Er schien

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