Gabun - Roman
zielstrebig aus dem Urwald heraus, als werde er an einer Schnur in unsere Richtung gezogen, und wedelte mit dem Schwanzstummel zur Begrüßung. Dann kam M’bale. Über seiner Schulter, sah ich, hing ein Kind. Er hat ein totes Kind im Wald gefunden, dachte ich.
M’bale lachte sein Eckzahnlachen und warf den toten Affen neben dem Feuer auf den Boden, direkt vor meine Füße. Der Affe war so groß wie ein Säugling. Seine totenstarren Augen mit den langen schwarzen Wimpern waren halb geöffnet, das Greisenantlitz schwarz und runzlig, umrahmt von einem Haarbusch, der oben einen kecken Schopf besaß. An den Wangen wuchs ihm ein weißer Backenbart. Er hatte hellbraunes Fell mit fast weißer Bauchseite. Sein Schwanz war zur Hälfte aufgerollt. Die Arme hielt er vor der Brust gekreuzt, die Beine hatte er angezogen. Die Handflächen unter den halb geöffneten Fingern waren schwarz, die Fingernägel so sauber abgerundet, als hätte sie ihm jemand geschnitten. Er hatte absolut menschliche Kinderohren mit hübschen, samtig schwarzen Ohrläppchen. Ich musste mich abwenden.
»Manger tout de suite«, sagte M’bale stolz. »Très bien.«
Er schmatzte mit Wonne. Ich fühlte Hass auf den kleinen Jäger, stand auf, ging zur Hütte hinüber, als müsste ich etwas holen. Felicité erhob sich, ging mir nach. Vor der Hütte holte sie mich ein.
»Jetzt nimmst du dich mal zusammen«, fauchte sie. »Hör mit deinen Sentimentalitäten auf. Du hast in deinem Leben schon massenhaft Fleisch verdrückt, und zwar von Tieren, die zehnmal elender sterben mussten als dieser Affe. Komm sofort zurück und hilf uns dabei, ihn zu kochen, anstatt dir in die Hosen zu machen.«
Zur Bestätigung juchzte es über mir, und der unsichtbare Vogel klatschte zustimmend in die Flügel. Sie hatte natürlich recht. Auch die Vögel hatten recht. Ich versuchte, mich zusammenzunehmen, aber es war nicht so einfach.
Das wurde mir klar, als ich mich dazu zwang, M’bale zuzusehen, wie er den Affen häutete. Als ich mich wieder ans Feuer setzte, nahm er nämlich gerade die Haut am Bauch zwischen zwei Fingern hoch und schnitt mit seinem Urwaldmesser hinein. Er verlängerte den Schnitt zu den Beinen und zu den Armen, dann zog er dem Affen das Fell ab, als wäre es ein Overall, er steckte die Kniegelenke und Ellbogen hindurch und hackte ihm, zack!, die Hände und Füße ab, viermal zuckte ich zusammen. Hände und Füße kamen, wie sie waren, in die Radkappe, die wir zum Küchenbestand beigesteuert hatten.
M’bale hatte nämlich beschlossen, Affensuppe zu kochen. Das gab mehr her als Affe am Spieß, erklärte er; er habe vor, eine nahrhafte Brühe zu kochen, um uns zu päppeln. Noch einmal brauchte ich innere Kraft, als M’bale dem Affen die Ohren abschnitt, ehe er ihm das Fell vollends wie eine Kapuze über den Kopf herunterzog. Der Hund sprang auf und winselte voller Freude, weil er schon einmal das Fell zugeworfen bekam. Er packte es und schleppte es hurtig ein paar Meter weg, um mit enthusiastischem Knurren hineinzubeißen.
Auch den Kopf vergaß M’bale nicht. Er flog in die Radkappe. Dann schnitt der Jäger dem enthäuteten Affen den Bauch auf, langte hinein und holte Herz, Lunge, Leber und Nieren heraus. Die Organe kamen in die Suppe, die Gedärme bekam diesmal der Hund, der feierte einen Festtag. Danach wurde der Affe mit der Machete gevierteilt, an einem der Viertel hingen der winzige Penis und die Hoden, alles kam in die Radkappe. Sie wurde anschließend mit Wasser gefüllt und vorsichtig in die Glut geschoben, mit Steinen abgestützt, damit sie nicht umkippen konnte. Viel Suppe zum Sattessen, wir mussten dankbar sein. Vier oder fünf Pfund Fleisch schwammen in der Radkappe.
Was Fleisch war, hatte ich bisher noch nicht wirklich gewusst. Das wurde mir klar, während ich dabei zusah, wie die Hände und Füße des Affen sich auf gespenstische Art in der heißen Brühe drehten. Das war nicht nur ein Wirbeltier gewesen, sondern ein Primat. Ein Verwandter, dessen Körper dem meinem glich, nur sein Großhirn war ein bisschen kleiner. Vor einer Stunde hatte er noch gelebt, war mit seinen Gefährten im Walddach herumgeturnt, bis M’bale kam, um ihn zu töten. Und wir saßen nun im Kreis um das Feuer herum wie ein Trupp Kannibalen und warteten darauf, ihn zu essen. Fleisch essen zu wollen, das bedeutete, zu töten. Ich schaute auf meine Handflächen, die denen des kleinen Affen aufs Haar glichen. Ob ich fähig wäre zu töten, um Fleisch essen zu können?
Mit
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