Gabun - Roman
Außerdem«, Fox’ Blick streifte De Vries, der ihn aufmerksam ansah, »werden bei der Jagd immer die besten Exemplare einer Art erschossen, die Jäger stehen ja auf diese Trophäen, und damit wird der Genpool in unverantwortlicher Weise geschwächt. Das darf man nicht vergessen.«
Nach dieser Einlassung sah Fox schon weniger belastet aus. Das hatte er den ganzen Tag schon loswerden wollen. Die Giulianis schauten jetzt De Vries an, ich ebenfalls. Vom Helden des Tages war er unversehens zu einem weißen Jäger mutiert.
»Sie sind ein Gegner der Jagd, Robert, das ehrt Sie«, sagte De Vries und nickte bekräftigend, es war ihm ernst. »Wie es Sie auch ehrt«, fuhr er fort, »was Sie hier auf die Beine stellen, um die Natur zu retten. Ich verstehe das gut, das ist sinnvoll, sehr vernünftig. Die Erde geht ja zugrunde, wie wir alle wissen, wenn man nicht vernünftig wird.«
Fox starrte De Vries an. Da konnte er nur zustimmen.
»Aber das ist nicht alles. Bei der Jagd geht es noch um etwas anderes als um Vernunft. Man jagt heute nicht mehr Tiere, um ihr Fleisch zu essen, das war einmal. Stattdessen hält man sie unter erniedrigenden Bedingungen als Fleischlieferanten, man behandelt sie schlimmer als Gegenstände. Aber die Jagd ehrt das Tier. Man jagt die schönsten und stärksten Tiere, weil sie die größte Herausforderung darstellen. Die Jagd war immer ein großes Spiel, so heißt sie auch noch heute im Englischen. Und deshalb, das möchte ich gerade Ihnen noch sagen, Robert, ist es natürlich, zu jagen. Naturschutz ist nicht natürlich. Aber ohne Zweifel vernünftig.«
Fox schüttelte den Kopf. Sein Gesicht sah wieder so aus wie heute Nachmittag im Kanu, als wir an ihm vorbeigefahren waren. Ob er genau so blass war, konnte ich im Kerzenlicht nicht erkennen.
»Das ist eine Einstellung, die sich Eliten erlauben können«, sagte er. »Sie mögen das so sehen, einige andere sicher auch. Aber wir wollen die Natur schützen, weil sie nicht bloß einigen privilegierten Leuten, sondern allen gehört. Für mich«, Fox fixierte De Vries, »ist das ein mindestens ebenso vornehmes Ziel wie das Erschießen von Großwild.«
De Vries hob sein Glas. »Nichts für ungut, Robert. Ich gebe Ihnen recht. Meine Einstellung ist undemokratisch und elitär, das stimmt. Und ich war unhöflich, sie so gedankenlos zu äußern. Trinken wir auf Ihr Projekt. Es soll wachsen und gedeihen.«
Ich hob mein Glas. In meiner Hosentasche fühlte ich den Diamanten, so groß wie eine Haselnuss und so viel wert wie ein erschossener Löwe.
SECHS
Ze Zé beabsichtigte, heute Charolais-Rindersteaks mit Bohnengemüse und gegrillten Tomaten zu servieren. Danach einen Obstsalat, den ich zusammen mit Farouk vorbereitete, der eben von seiner halbtägigen Erkundungstour zu den Schimpansen zurückgekehrt war, leider ohne Ergebnisse vorweisen zu können. Ich hütete mich, genauer nachzufragen.
Farouk sah müde aus. Stirn und Wangen waren von Insektenstichen angeschwollen wie ein Streuselkuchen. Vielleicht hatte bei den Schimpansen die Schluckimpfung versagt, oder sie waren impfmüde geworden und nicht hingegangen, dachte ich. Oder sie hatten womöglich aus purer Bosheit beschlossen, auszusterben, so wie die chinesischen Pandas, die inzwischen von Pandaspezialisten in Pandakostümen wieder an die Wildnis gewöhnt werden müssen. Ich hütete mich aber, etwas Derartiges von mir zu geben, Farouks Gesichtsausdruck erlaubte keine Ironie. Vielleicht brauchte er Trost, aber ich hatte keinen für ihn.
Wir saßen vor dem Küchenschuppen in der Abendsonne und schnippelten Äpfel, Bananen und Ananas. Aus der dunklen Mauer des nahen Waldes drangen die Geräusche des Nachmittags. In den Kronen stritten sich die schon erwähnten Affen, die Blätter in den Baumwipfeln bebten ab und zu von ihren Wutanfällen. Ich nahm einen Schluck von dem Campari, der inzwischen regelhaft dem Küchendienst zugesprochen wurde. Farouk hatte das bei Ze Zé durchgesetzt, der dem keinen Widerstand mehr entgegenbrachte, wie er es sonst bei allen Vorschlägen anderer zu tun pflegte – eine unangenehme Eigenschaft von Köchen, glaube ich.
Ze Zé machte einen bedrückten Eindruck. Er litt an etwas, was seine diversen Identitäten durchdrang, er litt als Samurai, als Klostervorstand und als Koch. Das prasselnde Stakkato seines Hackmessers hatte die Schlagzahl vermindert, nicht mehr Presto agitato, allenfalls noch Andante grazioso. Den Grund ahnte ich schon: unglückliche Liebe. Irgendetwas war
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