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Gabun - Roman

Gabun - Roman

Titel: Gabun - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinrad Braun
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teuer, oder?«
    De Vries lächelte nur.
    »Was ist ein Back-up-Gun?«, wollte ich wissen. Nicht bloß ein Kellner. Es interessierte mich.
    »Das braucht man für die Nachsuche. Wenn man mitten im Busch steckt und schnell schießen muss.« De Vries lachte. »Mein Vater war sehr passioniert. Er hat dieses Gewehr immer mitgenommen, er hat es nicht nur bei der Nachsuche geführt. Er hat einst den berühmten ›Thirty Yards Club‹ gegründet. Vielleicht sollte ich eher sagen: den berüchtigten.«
    »Könnte was mit Golf zu tun haben«, meinte Giuliani. »Auf die Entfernung sollte man einputten können. War es das?«
    Sie lachten beide, De Vries schüttelte den Kopf.
    »Nicht ganz.«
    »Ich bringe den Kaffee«, sagte ich. »Und Sie erzählen mir anschließend, was das für ein Club war, ja?«
    De Vries nickte mir zu. »Gern. Übrigens sind Sie bereits Mitglied in diesem Club, Herr Jesper.«
    Ich ging an Farouk vorbei, der eine Grimasse zog und mir zuzischte, ich könnte ihm ja einen Campari mitbringen, wenn ich gerade im Service wäre, was ich geflissentlich ignorierte und natürlich auch nicht ausführte.
    Als ich mit dem Kaffee wieder zurück war, erklärte De Vries Giuliani gerade den Auswurfmechanismus für die Patronen. Zwei davon ragten ein Stück aus der aufgeklappten Waffe heraus.
    »Der Büchsenmacher musste für Nitropatronen neue Läufe einpassen. Aber das Halbzollkaliber wollte ich behalten. Es hat Tradition bei uns. Ich habe das Gewehr dafür nach London geschickt zu Arnold & Rigby, die es damals in den dreißiger Jahren gebaut haben.«
    De Vries ließ die Läufe einschnappen. Dann drückte er den Hebel auf dem Rücken des Gewehrs zur Seite und öffnete es wieder. Die beiden Patronen erschienen nebeneinander. Er zog sie heraus und stellte sie auf den Tisch. Sie waren beeindruckend groß, mir kamen sie vor wie kleine Granaten. Giuliani nahm eine in die Hand und wog sie. Er hob die Brauen und pfiff durch die Zähne. De Vries ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Ah, vielen Dank, Herr Jesper«, sagte er. »Kaffee am Nachmittag, das muss sein. Bitte sehr.«
    De Vries reichte Giuliani, der die Hand danach ausstreckte, das Gewehr. Im Tausch ließ er sich die eine Patrone zurückgeben. Die andere, die noch auf dem Tisch stand, steckte er ebenfalls wieder in die Tasche.
    »Entschuldigen Sie. Aber solange ich weiß, wo die Patronen sind, kann nichts passieren.«
    De Vries wandte sich mir zu. »Der ›Thirty Yards Club‹, Herr Jesper, war so etwas wie die ›Fifty Fathoms‹ der Taucher in alten Tagen. Es sollte ein Maß sein, das nicht alle erreichen können. Die Gentlemen in der Umgebung meines Vaters fanden das sportlich. Überflüssig zu erwähnen, dass viele Engländer darunter waren. Die ›Thirty Yards‹ also bezeichnen die maximale Distanz, aus der geschossen werden durfte. Man musste sich verpflichten, nicht vorher zu schießen. Ein Mitglied des Clubs war Sir Ingilby, dessen Urgroßvater dadurch berühmt wurde, dass er seine Windspiele in seiner Heimat in Yorkshire mit Fackelzügen beerdigen ließ, bei denen das ganze Dorf anwesend zu sein hatte. Sir Ingilby starb übrigens bei einer Nashornattacke. Er behauptete immer, dass Nashörner kurzsichtig wären. Sie kämen bloß näher herangestürmt, um besser sehen zu können. Um das zu beweisen, blieb er stehen, ohne zu schießen, als das Rhino angriff. Es stoppte dann tatsächlich fünf Meter vor ihm. Ingilby drehte sich um und breitete die Hände aus. Seht ihr, was habe ich gesagt, sollte das wohl heißen. Das war das Letzte, was er tat.«
    »Dreißig Yards, das sind weniger als dreißig Meter, richtig?«, wollte ich wissen.
    De Vries nickte. »Stimmt. Achtundzwanzig Meter. Mein Vater sagte immer, er wollte so nahe dran sein wie ein Löwe oder ein Leopard, wenn er jagte.« Er zog die Achseln hoch und sah mir in die Augen. »Na ja, Herr Jesper. Seit heute wissen Sie, wie das ist.«
    Ich wusste es. Und wusste, dass ich für diese Art von Sport nicht gemacht war. Das Pfeifen in meinem Kopf war inzwischen etwas leiser geworden, meine Trommelfelle waren noch einmal davongekommen. Ich deutete auf meine Ohren.
    »Ihr Vater muss schwerhörig gewesen sein.«
    »Das kann man wohl sagen. Vor allem hörte er nicht auf das, was man ihm riet, mich eingeschlossen. Aber das ist eine andere Geschichte.«
    Giuliani legte noch einmal mit dem Gewehr an. Er zielte auf den Wald.
    »Ich habe etwas Erfahrung mit Gewehren, De Vries«, sagte er. »Was mich wundert: Es ist keine Optik dran,

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