Gabun - Roman
und zog zwei frische Patronen aus seinem Gürtel, in dem sich vier bestückte Lederschlaufen befanden. Er schob die Patronen in die aufgeklappten Läufe.
»Gut gemacht, Herr Jesper«, sagte er. »Das war knapp. Schauen Sie.«
Mit dem Daumen deutete er rückwärts. Im Wasser sah ich den Bullen. Sein grauer Rücken trieb wie ein harpunierter Wal dicht unter der Oberfläche. Der Kopf oder das, was davon übrig war, verbarg sich in einer roten Wolke, die sich im schwarzen Wasser ausbreitete. Ich wandte mich ab. Mir war zum Heulen, wieso, hätte ich nicht sagen können.
Als wir zu dem anderen Kanu kamen, war dort bereits eine gewisse Ordnung eingekehrt. Fox hatte das Boot aus der Angriffsdistanz der Bienen herausgepaddelt. Die Giulianis waren damit beschäftigt, ihre Stiche mit Antihistaminsalbe zu versorgen und uns, vor allem De Vries, anzustarren. Die Boote legten sich nebeneinander. Fox reichte De Vries die Hand.
»Danke«, sagte er mit einem schiefen Grinsen. »Das hätte danebengehen können.«
»Ja, hätte es«, lächelte De Vries. »Wir hatten mehr Glück als Sie, Robert. Wir sind nicht gestochen worden.«
Beim Abendessen herrschte gedämpfte Stimmung. Oda Giuliani führte das Wort an der Tafel. Sie erzählte ausführlich, wo und wie oft sie gestochen worden war und dass Antihistaminika gegen die Stiche afrikanischer Bienen nicht helfen würden. Die Firma mache eindeutig falsche Angaben, man müsse diese Leute verklagen. Bienen seien schließlich Bienen, und auf der Packung stehe dies und das, und so weiter. Frau Dr. Decker riet ihr mit der Miene eines Sitting Bull, Spucke anzuwenden, das wäre billig und unbegrenzt verfügbar, ein Rat, der von Oda ignoriert wurde. Ich vermied es, Felicité anzusehen, die zum Glück heute nicht neben mir saß, und sah mich genötigt, in die Diskussion einzuwerfen, dass wilde Bienen seit jeher in Afrika gefürchtet wären und ganze Dörfer in die Flucht schlagen könnten. Insofern handle es sich ja im Grunde um ein typisch afrikanisches Abenteuer. Damit wollte ich Fox’ Leitgedanken von der Nähe zur unverfälschten Natur aufgreifen und mich selbst auch einmal einbringen. Schließlich war ich als Guide vorgesehen, und mein Spezialgebiet, wenn ich überhaupt eines vorzuweisen hatte, waren nun einmal Insekten.
Aber Fox hörte mir nicht zu, brütete über seiner Safransuppe mit Crevetten, als habe er einen Freund verloren. Giuliani fachsimpelte mit De Vries über Gewehre. Olson, der zu diesem Thema sicher einiges beizutragen gehabt hätte, war wieder abwesend, und Wessing äußerte sich nicht.
Saffkin tauchte schließlich verspätet auf, er teilte mit, sein Satellitenhandy sei verschwunden und nicht mehr aufgetaucht, obwohl er es überall gesucht habe. Er überlege, ob er es vielleicht im Hotel habe liegen lassen. De Vries bot ihm an, seines zu benutzen. Saffkins Einwände ließ er nicht gelten, er reichte es ihm, und Saffkin steckte es ein.
Nach der Suppe ergriff Fox das Wort. Alle Gesichter wandten sich ihm zu. Wir brauchten eine Orientierung. Ein unersetzliches Wildtier hatte den Tod gefunden. Die Gemeinde der Lodge war traumatisiert und uneins, wie es das Volk Gottes gelegentlich im Alten Testament auch gewesen war.
»Ich habe heute einen Fehler gemacht«, begann Fox. »Doch, das habe ich.« Mit beiden Händen wehrte er laut werdende Proteste ab. »Einen schweren Fehler sogar. Ich hätte die Distanz zu den Flusspferden einhalten sollen. Der Bulle, der erschossen wurde, wollte nur seine Herde schützen. Dafür ist er gestorben, und dafür trage ich die Verantwortung.«
Wir schwiegen alle, er hatte ja recht. Er trug die Verantwortung. Man sah ihm an, wie schwer sie wog. Nach einer kleinen Pause fuhr Fox fort.
»Herr De Vries hat uns vermutlich das Leben gerettet. Dafür möchte ich mich bei ihm bedanken.«
Ein kleiner Applaus. Fox nickte De Vries zu. Dann sah er reihum in unsere Gesichter.
»Aber es ist nicht nur traurig, wenn Wildtiere erschossen werden. Es ist im Grunde auch dumm. Weiß jemand in der Runde, was ein Löwe wert ist?«
Wir wussten es nicht, auch das Ehepaar Giuliani nicht, es hing nur an Fox’ Lippen, der in seinen verbeulten Khakisachen vor ihnen stand, ein Bild der Redlichkeit, wie ich fand, und gerade dabei war, De Vries, dem Wildtöter, die Schau zu stehlen.
»Ein auf der Jagd erschossener Löwe bringt fünftausend Dollar. Einer, den man auf einer Fotosafari fotografieren kann, viermal so viel. Auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung, finde ich.
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