Gaelen Foley - Amantea - 02
mit dem Handrücken die Trä- nen von den Wangen, wobei sie auf seine schwarz glänzenden Stiefel mit den Silbersporen sah.
Er ließ sich vor ihr nieder und blickte sie aufmerksam an. „Princesa, was soll das? Wollt Ihr vielleicht meinen Abend ruinieren?“
Verblüfft schaute sie ihn an. Seinen Abend ruinieren?
Als er ihr die Hand entgegenstreckte, zuckte sie entsetzt zusammen. Doch er bot ihr nur ein ordentlich gefaltetes Taschentuch an, das er hervorgezaubert hatte.
Nach anfänglichem Zögern nahm sie es. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn als kleines Mädchen für einen Magier ge- halten hatte, denn er konnte eine Goldmünze aus ihrem Ohr holen und sie dann wieder verschwinden lassen.
Forschend betrachtete er Serafina. „Was ist mit Euch los? Habt Ihr nun auch wie alle anderen Angst vor mir?“
Heftig schluchzend schüttelte sie den Kopf.
Darius’ selbstzufriedenes Lächeln verschwand. „Kleine Grille, ich bin es doch“, sagte er mit sanfterer Stimme. Er sah geradezu verstört aus. „Ihr kennt mich doch schon so lange.“
Ihre Blicke trafen sich.
Was er sagte, stimmte nur zum Teil. Ihr ganzes Leben lang war er da gewesen, hatte irgendwo im Hintergrund gestanden, aber niemand kannte Darius Santiago wirklich. Er gestattete es nicht. Sie hatte erfahren müssen, dass er seinen schärfsten Spott gegen jene richtete, die ihn zu lieben versuchten.
Vor zwanzig Jahren – kurz vor ihrer Geburt – hatten ihre Eltern Darius von der Straße weggeholt. Er war ein ungebil- deter Dieb gewesen, der durch seine Tapferkeit ihrer Mutter das Leben gerettet hatte. Aus Dankbarkeit hatte ihr Vater ihn zum königlichen Mündel gemacht und ihn wie einen eigenen Sohn erzogen – so weit das Darius’ Stolz zugelassen hatte. Er hatte diese Behandlung nämlich stets als Barmherzigkeit empfunden.
Als Serafina alt genug war, um zu verstehen, dass sie für ihre Eltern als erstgeborene Tochter – und nicht als der erhoffte Sohn und zukünftige Thronfolger – eine Enttäuschung dar- stellte, hatte sie in Darius einen Verbündeten und Beschützer gefunden. Der halbe Zigeuner war ebenso wie sie ein Außen- seiter, dessen einzige Freunde die Pferde im königlichen Stall zu sein schienen.
Er senkte den Blick und sprach mit weicherer Stimme:
„Ich kann durchaus verstehen, wenn Ihr nun Angst vor mir habt. Ich kann es Euch nicht vorwerfen. Manchmal fürchte ich mich selbst vor mir.“
„Sie haben die Männer umgebracht“, flüsterte Serafina. „Es war furchtbar.“
„Das musste ich tun. Manchmal ist die Pflicht furchtbar – das stimmt“, erwiderte er. „Es tut mir Leid, dass Ihr es mit ansehen musstet. Ihr hättet die Augen schließen sollen, Hoheit.“
„Das tat ich auch. Aber ich konnte es hören.“
Er zuckte zusammen. „Der Mann hat Eure Ehre verletzt. Er bekam, was er verdiente.“ Mit diesen Worten stand er auf und entfernte sich ein paar Schritte von ihr.
Serafina stützte den Kopf in die Hand. Sie beobachtete, wie Darius mit steifen Schritten den kleinen Platz überquerte. Sein breiter Rücken und seine schmalen Hüften waren deut- lich unter der eng anliegenden Weste zu sehen, während seine kräftigen Arme von den weiten weißen Ärmeln seines Hemds verhüllt waren.
Jetzt habe ich ihn gekränkt. Sie wusste, dass er außeror- dentlich empfindlich war.
„Kommt, Hoheit“, sagte er kühl. „Es wird noch eine lange Nacht werden. Die Franzosen haben noch weitere Spione im Palast. Ich muss sie fangen, und noch weiß ich nicht, wer sie sind. Bis sie sich im Kerker befinden, müsst Ihr von hier fortgebracht werden.“
Serafina seufzte und stand mühsam auf, denn ihre Beine zitterten noch immer.
Darius wartete am Springbrunnen auf sie. Er sah sie nicht an, sondern wirkte völlig verschlossen. Die Hände in die Hüf- ten gestemmt, hob er den Kopf und schaute in den Nacht- himmel. Der Mond erhellte seine hohen Wangenknochen und umschmeichelte seine zusammengepressten Lippen mit silbrigem Licht.
Als sie ihn erreicht hatte, drehte er sich zur Seite, um vo- ranzugehen. „Als Erstes müssen wir Euren Vater aufsuchen. Er wird jemand beauftragen, Euch in ein sicheres Versteck zu bringen.“
„Darius, hören Sie.“ Serafina legte eine Hand auf seinen kräftigen Arm. „Ich wollte Sie nicht ...“
„Wir dürfen keine Zeit verlieren, Hoheit.“ Er zog den Arm weg.
Als sie versuchte, ihn noch einmal an der Schulter zu berüh-
ren, spürte sie einen feuchten, warmen Fleck, der auf seiner schwarzen Weste nicht
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