Gaelen Foley - Knight 01
Festsaal, vorbei am grün be- spannten Spieltisch und in den Salon im rückwärtigen Bereich des ersten Stockes.
Er trat näher und erblickte Miss Hamilton, in züchtiger Voll- kommenheit auf ein ägyptisch anmutendes Sofa hingegossen, neben ihr ein rundes Tischchen mit einer Vase frischer Horten- sien. Auf dem Schoß hatte sie eine Zeitung liegen, während ih- re in aparten Slippern steckenden Füßchen auf einem bestick- ten Schemel ruhten. Selbst die Nachmittagssonne wirkte ar- rangiert: Sie strömte durch ein Fenster und ließ Miss Hamil- tons hellblondes Haar erstrahlen, das ihr heute offen über die Schultern fiel, nur von ein paar Elfenbeinkämmchen gebän- digt.
Hawk lächelte, als das reizende Wesen vorgab, ihn nicht zu bemerken, damit er sie in Ruhe bewundern konnte. Ihr Aus- gehkleid aus pastellgelb gemustertem Musselin hatte einen weiten Ausschnitt und kleine Puffärmelchen, die ihre schlan- ken Arme zur Geltung brachten. Sie sieht wirklich aus wie ein weicher, anschmiegsamer Engel, dachte er in einem etwas al- bernen Anflug von Sentimentalität. Obwohl er genau wusste, dass die Szene vor ihm das wohl kalkulierte Ergebnis geldgie-
riger Eroberungslust war, war er trotzdem bezaubert.
„Guten Tag, Miss Hamilton.“
Sie blickte auf und lächelte ihn voll Wärme an. Ihre Augen strahlten. „Euer Gnaden!“
„Ich hoffe, ich störe nicht“, meinte er süffisant.
„Aber gar nicht“, erwiderte sie freudig und reichte ihm die Hand wie eine Prinzessin, die gerade huldreicher Stimmung war.
Pflichtbewusst trat er näher, ergriff ihre Hand und küsste wie erwartet ihre Fingerspitzen. Ihre großen veilchenblauen Augen glänzten, als sie ihn begrüßte, und wenn ihn nicht alles täuschte, dann errötete seine junge Kurtisane.
Nach dem Handkuss ließ sie ihn nicht los, sondern legte ihre Finger um seine Hand und zog ihn mit einem schönen Lächeln neben sich auf das Sofa. Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, labte sich an ihrer Schönheit.
„Ich habe mich schon gefragt, ob Sie mich wohl heute besu- chen kommen“, sagte sie fast schüchtern.
Er lachte leise. „Wie konnten Sie daran zweifeln?“
Sie lächelte und wurde noch röter. Wie verzaubert starrten sie einander an. Er meinte fast, dass sein Herz einen Schlag aussetzte.
„Was lesen Sie denn da?“ fragte er, um sie nicht in die Arme zu reißen und bis zur Bewusstlosigkeit zu küssen.
„Den ,Quarterly Review’.“
„Wirklich?“ Überrascht, dass es sich nicht um irgendeine Schauergeschichte handelte, legte er den Arm hinter ihr auf die Sofalehne und beugte sich vor, um ihre Lektüre näher in Augenschein zu nehmen. Dabei sog er den weichen, sauberen Duft ihres Haares ein, das nach Rosen, Mandeln und Kamille roch. Es stieg ihm sofort zu Kopf.
„Ich habe eben einen überaus faszinierenden Artikel gelesen, der zur Abschaffung der Sklaverei auffordert, von einem ge- wissen Duke of Hawkscliffe. Haben Sie von dem schon mal ge- hört?“
Verwirrt spürte Hawk, dass er errötete. Angesichts ihres In- teresses an seiner Arbeit wurde er ganz befangen. „Ein lang- weiliger Kerl, was?“
„Im Gegenteil, Euer Gnaden. Ich finde Ihre Essays meister- haft. Ihre Argumentation ist logisch, Ihr Stil kraftvoll, und wenn ich so sagen darf, nehmen Sie sich Ihres Themas mit
wahrer Leidenschaft an. Ich wundere mich nur, dass Ihre Par- teifreunde nicht außer sich geraten.“
„Warum das?“ fragte er überrascht.
„Ihre Ansichten sind erstaunlich liberal.“
Er starrte sie an, halb amüsiert, halb empört. Sie war doch nur eine Frau. Was verstand sie von der Politik? „Ach ja?“ meinte er nachsichtig.
„Ja.“ Sie nahm eine zusammengefaltete Ausgabe des „Edingburgh Review“ auf, die auf dem Tisch neben ihr lag. „Vielleicht würden Sie sich freuen, Harriettes Freund kennen zu lernen, Mr. Henry Brougham. Ich lese die Zeitungen beider Parteien, und Ihre Ansichten stimmen erstaunlich oft über- ein.“
Hawk zog die linke Augenbraue hoch. Er war sich nicht schlüssig, ob er nun beleidigt, schockiert oder nur amüsiert sein sollte, dass er hier so munter mit seinem großen politi- schen Rivalen verglichen wurde.
Unschuldig wandte sich Miss Hamilton an ihn. „Ach, kennen Sie Mr. Brougham vielleicht schon, Euer Gnaden?“
„Äh, ja, wir sind uns bereits begegnet.“
Ganz bei der Sache, nahm sie wieder die „Quarterly Review“ zur Hand. „Ich habe auch Ihren Artikel zur Reformierung des Strafgesetzes gelesen. Ihr Ansatz ist wirklich großartig.
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