Gaelen Foley - Knight 02
wie Lucien Knight nicht konkurrieren, aber
er gefiel sich in der Vorstellung, dass er ihm an List und Tü- cke sehr wohl ebenbürtig war.
Zwischen ihnen herrschte ein vorsichtiges professionelles Einvernehmen, auch wenn sie in diesem Krieg auf verschie- denen Seiten standen. Rollo war einer der wenigen Men- schen, die überhaupt wussten, dass Lord Lucien Knight, der weltkluge Diplomat, auch ein gnadenloser Agent war, bei dessen Codenamen Argus fremde Minister erzitterten und sogar Napoleons Polizeiminister Fouché bleich wurde.
Rollo und Lucien waren nicht direkt Feinde, denn sie hat- ten in der Vergangenheit schon mehrfach Informationen ausgetauscht, doch Freunde waren sie auch nicht. Rollo wusste, dass Lucien auf ihn herabsah, weil er ihn für geld- gierig und unkultiviert hielt, und Rollo wiederum passte die körperliche und geistige Überlegenheit des Engländers nicht, ganz zu schweigen von dessen Arroganz. Heute Abend genoss es Rollo, dass er etwas wusste, wovon der all- wissende Lord Luzifer keine Ahnung hatte.
Etwas Großes.
Und er, Rollo Greene, war mittendrin, er traf die Vorberei- tungen. Vielleicht war er nicht zäh und gemein genug, um jemanden wie Lucien Knight zu schlagen, aber er bereitete für jemanden den Boden, der Lucien in jeder Hinsicht ge- wachsen war und vielleicht noch eine Spur schrecklicher. Wenn er an den Mann dachte, dessen Ankunft kurz bevor- stand, fiel ein kalter Schatten auf sein Herz. Statt nackte Tänzerinnen zu begaffen, musste er sich jetzt ans Werk ma- chen. Er hatte viel zu tun. Er suchte die Menge nach dem vornehmen jungen Schurken ab, den er anheuern wollte.
Der Ehrenwerte Ethan Stafford war der jüngere Sohn ei- nes Earls und für seine Zwecke ideal geeignet. Er war ein knabenhaft hübscher Junge mit goldblonden Locken, ein wohlerzogener, fashionabler junger Schwerenöter, der die Mitglieder des ton bestens kannte. Der ton jedoch kannte Ethan Staffords Geheimnis nicht: Seine Spielschulden trie- ben ihn in den Ruin.
Sein wohlhabender Vater hatte ihm längst den Geldhahn zugedreht, und Stafford war dem Schuldgefängnis und ei- ner öffentlichen Bankrotterklärung nur dadurch entgangen, dass er dubiose Aufträge für schattenhafte Unterweltge- stalten ausführte, etwa für den halsabschneiderischen
Geldverleiher, der den jungen Mann an Rollo weiterempfoh- len hatte.
Zum Glück war Mr. Stafford noch nicht allzu betrunken, als Rollo zu ihm hinüberschlenderte und sich in seiner Nä- he aufpflanzte. Stafford stand bei einem halben Dutzend junger Männer, die alle fasziniert zuschauten, wie die mas- kierte Peitschenlady ihr nächstes freiwilliges Opfer diszip- linierte.
„Verzeihen Sie, Sir!“ Nachdem Rollo Staffords Aufmerk- samkeit auf sich gelenkt hatte, senkte er die Stimme. „Ich habe gehört, dass Sie Interesse an einem Auftrag haben könnten.“
Der junge Mann bedachte ihn mit einem scharfen Seiten- blick. Rollo nickte ermutigend. Misstrauisch trat Stafford auf ihn zu, und sie entfernten sich ein Stück von den ande- ren.
„Man hat mir erzählt, dass Sie zuverlässig seien. Sie ha- ben für einen meiner Freunde ein paar Dinge erledigt.“
„So“, sagte Stafford vorsichtig.
Armer reicher Junge, dachte Rollo. Kommt ohne seinen Luxus nicht aus.
„Worum handelt es sich?“ erkundigte sich Stafford leise und reckte gleichzeitig arrogant das Kinn.
„Ein Freund von mir wird in etwa einer Woche aus Preu- ßen eintreffen. Er braucht jemanden, der ihn in die Gesell- schaft einführt. Der ihn ein bisschen unter seine Fittiche nimmt.“
„Das ist alles?“ fragte Stafford zweifelnd.
Rollo lachte dröhnend. „Ja, mein Junge, das ist alles.“
„Wie viel zahlen Sie?“
„Dreihundert Pfund. Ohne Fragen. Mehr aber nicht.“
„Dreihundert Pfund?“ wiederholte Stafford. „Und wo ist der Haken?“
„Die Sache hat keinen Haken“, erwiderte Rollo fröhlich. „Mein Freund ist sehr reich und will unbedingt einen guten Eindruck auf die Londoner Gesellschaft machen. Ich werde mich an Sie wenden, wenn es so weit ist, und denken Sie da- ran ... psssst.“ Rollo legte den Finger auf die Lippen wie das Priapus-Standbild an der Tür, um den jungen Mann zum Schweigen zu verpflichten.
Stafford nickte und kehrte zu seinen Freunden zurück.
Als Rollo sich abwandte, entdeckte er Lucien, der ein paar Meter weiter vorne mit einem Grüppchen Leute plauderte. Er versuchte sich wegzuschleichen, doch Lucien sah ihn und warf ihm einen amüsierten Blick zu.
„Sie machen auf
Weitere Kostenlose Bücher