Gaelen Foley - Knight 06
zu bringen, hatten sie ihre Gläser geleert, sich verbeugt und sich mit der einstudierten Haltung größter Langeweile verabschie- det, die natürlich zum größten Teil nichts als Attitüde war.
Wieder unter sich, ließen sie ihre zur Schau gestellte Lang- weile und ihr sonstiges Getue beiseite und begaben sich zu Lord
Draxingers Stadthaus am Hanover Square, um den Rest der Nacht beim Karten- und Würfelspiel zu verbringen.
Hinter ihnen kam noch eine weitere Kutsche mit ähnlich ver- gnügungswilligen Männern, aber der Earl wollte als Erster ein- treffen, um sich zu vergewissern, dass seine Bediensteten wach waren und auch bereit, seine Freunde mit der üblichen Gast- freundschaft zu bewirten.
Später in der Nacht würden sie dann gewiss noch ein paar Dirnen kommen lassen.
Lord Alec Knight kannte den Ablauf, denn es war immer der- selbe.
Der Anführer der Gruppe hörte kaum dem ausgelassenen Wortwechsel seiner Freunde zu, sondern sah durch das Fenster der Kutsche auf die regennassen Straßen hinaus, die dunkel und leer dalagen.
Alec konnte nicht einschätzen, was an diesem Abend nicht mit ihm stimmte. Wäre er davon überzeugt gewesen, dass er sich zu Hause wohler fühlen würde, wäre er dorthin gegangen. Doch er ahnte, sein Elend würde ihn auch an diesem Ort ver- folgen.
„Würfelst du heute mit uns, oder hast du dem Glücksspiel noch immer abgeschworen?“ Eine Pause folgte. „Hallo? Knight?“ Je- mand stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen und schreckte ihn damit aus seinen Überlegungen.
Ein wenig zerstreut drehte Alec sich zu Fort um. „Hm?“
„Was ist heute los mit dir?“, rief Drax aus. „Du benimmst dich schon seit Tagen so merkwürdig.“
„Ja“, stimmte Rush zu, der schwarzhaarige Erbe eines Mar- quis. „Heute hatte ich bei Angelo’s die Befürchtung, du würdest Blakewell aufschlitzen, so wie du ihn mit dem Degen behandelt hast.“
„Wenn er nicht lernt, besser zu parieren, werde ich das beim nächsten Mal auch tun.“
„Was ist mit Harrington? Ihn hättest du auch beinahe umge- bracht.“
Alec lachte spöttisch. „Seine Beinarbeit ist entsetzlich.“
„Du musst ihm zugutehalten, dass er es versucht hat. Du bist zu schnell für ihn.“
„Dann sollte er sich nicht mit mir messen wollen.“ Alec zuck- te die Achseln und wandte sich ab.
„Jesus!“ Rush lachte. „Es war doch nur eine Übung, Knight.“
„Lass ihn in Ruhe, Rush. Er hat wieder eine seiner Stimmun- gen“, meinte Fort.
„Nein, habe ich nicht.“
„In den letzten Tagen ist er dauernd in dieser Stimmung.“
„Ich bin in keiner verdammten Stimmung!“
„Was hast du dann? Zahnschmerzen?“
„Woher zum Teufel soll ich das wissen?“, entgegnete Alec.
„Wenn ihr mich fragt ...“, Fort wandte sich mit diesen Worten an die anderen und klopfte Alec auf die Schulter, „... braucht er nichts weiter als eine willige Lady – nein, pardon –, ein lüsternes Weibsbild, das ihm ein oder zwei Stunden auf dem Schoß tanzt. Ihm hilft, eine gewisse Miss Carlisle zu vergessen. Ich meine es ernst“, fügte er noch hinzu, als die anderen lachten.
„Glaubst du, ich hätte das bislang nicht versucht?“, erwiderte Alec.
„Wann?“, wollte Rush wissen.
Alec seufzte tief und wandte sich ab.
„Gib’s zu! Seit sie geheiratet hat, lebst du wie ein Mönch, und das sieht dir gar nicht ähnlich, um es vorsichtig auszudrü- cken.“
Drax beugte sich vor. „Sag uns, was los ist, alter Junge. Wir sind deine Freunde. Herzschmerz?“
„Käme mir nicht in den Sinn. Sie ist glücklich, und ich freue mich für sie. Punkt.“
„Also Probleme mit dem da unten? Klemmt’s irgendwo?“
„Gütiger Himmel, nein! Wirklich, Draxinger, nichts derglei- chen.“ Alec runzelte die Stirn unter seinen goldblonden Haaren und versuchte, sich bequem hinzusetzen.
„Er ist keine achtzehn mehr“, mischte sich der stets treue Fort zu seiner Verteidigung ein und zwinkerte mit den haselnuss- braunen Augen. „Ich bin sicher, wir alle wissen, dass man nicht ungerüstet in die Schlacht ziehen sollte.“
„Das kann man wohl sagen“, murmelte Alec.
„Was ist es dann?“ Besorgt musterte Drax sein Gesicht.
Alec starrte ihn an und schüttelte schließlich nur den Kopf. Bei jedem Unsinn war er ihr Anführer gewesen, wie also sollte er ihnen erklären, dass ihm in den letzten Tagen ihre ständige Suche nach Vergnügungen unerträglich und sinnlos erschie- nen war?
Sie alle taten stets dasselbe, doch sollte es so weitergehen? Anders
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