Gai-Jin
Fragen.«
»Darauf trinke ich.«
»Was immer Sie wollen, wir besorgen es Ihnen billiger und schneller.« Greyforth füllte die Gläser nach. »Ich mag Dom Pérignon, ich finde ihn besser als Taittinger – der alte Mönch kannte sich aus, sowohl mit der Farbe wie mit dem Zucker. Zum Beispiel hawaiianischer Zucker«, ergänzte er gewandt. »Wie ich höre, wird der in diesem Jahr so teuer, daß er fast zum Staatsschatz wird. Für Nord und Süd.«
Dimitri setzte sein Glas ab. »Das heißt?«
»Das heißt, unter uns, daß Brock and Sons die diesjährige Ernte blockiert haben, das heißt, daß Struan nicht mal über einen Zentnersack verfügen und Ihr Handel mit der Firma nicht zustande kommen wird.«
»Und wann wird das allgemein bekannt?« Dimitris Schlitzaugen zogen sich noch enger zusammen.
»Möchten Sie sich beteiligen? An unserem Handel? Wir könnten einen vertrauenswürdigen Agenten für die Staaten gebrauchen. Für Nord und Süd.«
»Und meine Gegenleistung?«
»Ein Trinkspruch: Auf den Untergang des Noble House!«
In ganz Yokohama wurden auf die wichtige Nachricht von Culums Tod und auf die Nachfolge eines neuen Tai-Pan genauso Trinksprüche ausgebracht wie in den Vorstandszimmern des Fernen Ostens und überall, wo mit Asien gehandelt wurde. Manche Trinksprüche waren fröhlich, andere rachsüchtig, manche tranken auf den Nachfolger, andere wünschten alle Struans zum Teufel, manche beteten für ihren Erfolg, doch alle Geschäftsleute überlegten, welche Folgen die Nachricht für sie selbst haben würde, denn Struan’s war und blieb das Noble House.
In der französischen Gesandtschaft stieß Angélique mit Champagner an und trank sehr vorsichtig, denn sowohl das Glas als auch der Wein waren billig und kaum passend für die Gelegenheit. »Ich stimme Ihnen zu, M’sieur Vervene.«
Pierre Vervene war der Chargé d’Affairs, ein müder, kahlköpfiger Mann in den Vierzigern. »Der erste Toast erfordert einen zweiten, M’selle«, behauptete er und hob das Glas abermals. »Nicht nur auf Wohlstand und ein langes Leben für den neuen Tai-Pan, sondern auf den Tai-Pan, Ihren zukünftigen Gemahl.«
»La, M’sieur.« Scheinbar verärgert setzte sie das Glas ab. »Das habe ich Ihnen im Vertrauen erzählt, weil ich so glücklich bin, so stolz, aber Sie dürfen es nicht laut aussprechen, bevor er, M’sieur Struan, es öffentlich bekanntgibt. Das müssen Sie mir versprechen.«
»Gewiß, gewiß.« Vervenes Ton klang beruhigend, obwohl er in Gedanken bereits eine Depesche abgefaßt hatte, die er an Seratard an Bord ihres Flaggschiffs vor Edo abschicken wollte, sobald Angélique gegangen war. Eindeutig gab es zahllose politische Auswirkungen und Chancen zu bedenken, die eine derartige Liaison für Frankreich und die französischen Interessen mitbringen würde.
Mein Gott, dachte er, wenn wir klug sind, und das sind wir, können wir das Noble House durch diese kleine Hure beherrschen, die nichts hat außer einem hübschen Lärvchen, entzückenden Brüsten, einer überreifen Jungfernschaft und einem Hinterteil, das ihrem Ehemann für einen oder zwei Monate leidenschaftliche Manneskraft schenken wird. Wie zum Teufel hat die sich ihn nur geschnappt – falls das, was sie sagt, wirklich zutrifft. Wenn ja…
Merde, der arme Mann muß wahnsinnig sein, daß er diese Bagage – ohne Mitgift und dazu von zweifelhafter Abstammung – zur Mutter seiner Kinder wählt! Welch ein unglaubliches Glück für dieses widerwärtige Schwein Richaud, jetzt wird er in der Lage sein, seinen Wechsel zu honorieren. »Meine aufrichtigsten Glückwünsche, M’selle.«
Die Tür flog auf, und der Boy Nummer Eins der Gesandtschaft, ein älterer, rundlicher Chinese in Leinenjacke, schwarzer Hose und schwarzem Käppchen, kam mit einem großen Berg Post herein. »Heya, Mass’r, all viel Post – ah, macht nichts!« Er klatschte Briefe und Päckchen auf den Schreibtisch, sah das junge Mädchen mit Stielaugen an und rülpste beim Hinausgehen.
»Großer Gott, diese Menschen mit ihren schlechten Manieren machen mich wahnsinnig! Tausendmal habe ich diesem Kretin befohlen, vor dem Eintreten anzuklopfen! Entschuldigen Sie mich einen Moment.« Hastig sah Vervene die Briefe durch. Zwei von seiner Frau, einer von seiner Geliebten, alle vor zweieinhalb Monaten abgeschickt: Beide betteln sicher um Geld, dachte er säuerlich. »Ah, vier Briefe für Sie, M’selle.« Viele französische Bürger ließen ihre Post an die nächstliegende Gesandtschaft schicken.
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