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Gai-Jin

Gai-Jin

Titel: Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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André leerte die winzige Tasse und reichte sie ihr zum Nachschenken. Tyrer, der den Geschmack des warmen Weins nicht unangenehm, aber fade fand, folgte seinem Beispiel. Beide Tassen wurden sofort wieder gefüllt, geleert und nochmals gefüllt. Weitere Tabletts kamen, weitere Flaschen.
    Tyrer verlor die Übersicht, fühlte sich aber bald in eine angenehme Wärme gehüllt, verlor die Nervosität, beobachtete, lauschte und verstand fast nichts von dem, was die anderen beiden sagten, höchstens hier und da ein einzelnes Wort. Raikos Haare waren schwarzglänzend und mit vielen kostbaren Kämmen aufgesteckt, ihr weiß gepudertes Gesicht war weder häßlich noch schön, nur eben anders, ihr Kimono aus rosenroter, mit vielen grünen Karpfen durchwehter Seide.
    »Ein Karpfen ist koi, gewöhnlich ein Zeichen für Glück«, hatte André ihm bereits erklärt. »Townsend Harris’ Geliebte, die Shimoda-Kurtisane, die ihn im Auftrag der Bakufu ablenken sollte, nannte sich Koi, aber ich fürchte, es hat ihr kein Glück gebracht.«
    »Ach ja? Was ist passiert?«
    »Nach der Geschichte, die sich die Kurtisanen hier erzählen, hat er sie vergöttert und ihr, als er fort mußte, genügend Geld gegeben, um sich zu etablieren – sie war ungefähr zwei Jahre bei ihm. Kurz nach seiner Rückkehr nach Amerika ist sie einfach verschwunden. Hat sich vermutlich zu Tode getrunken oder Selbstmord begangen.«
    »So sehr hat sie ihn geliebt?«
    »Es heißt, daß sie sich anfangs, als die Bakufu sie daraufhin ansprachen, strikt geweigert hat, mit einem Ausländer zu gehen – eine nie dagewesene Zumutung. Vergessen Sie nicht, daß er der erste war, der jemals Erlaubnis erhielt, sich auf japanischem Boden aufzuhalten. Sie flehte die Bakufu an, eine andere auszuwählen, erklärte, sie werde buddhistische Nonne werden, und drohte sogar, sich umzubringen. Doch die Beamten waren unnachgiebig, baten sie, ihnen bei der Lösung des Gai-Jin-Problems zu helfen, flehten sie wochenlang an, seine Geliebte zu werden, und zermürbten sie mit weiß Gott was für Mitteln. Schließlich erklärte sie sich einverstanden, und die Beamten dankten ihr. Als Harris sie verließ, haben sie ihr jedoch alle den Rücken gekehrt, die Bakufu genauso wie alle anderen: Ah, tut uns leid, aber eine Frau, die mit einem Ausländer geht, ist auf immer gebrandmarkt.«
    »Wie furchtbar!«
    »Ja, nach unseren Maßstäben. Und so traurig. Aber vergessen Sie nicht, daß dies das Land der Tränen ist. Heute ist sie eine Legende und wird von ihren Kolleginnen wie auch von denen, die ihr den Rücken kehrten, wegen ihres Opfers verehrt.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich auch nicht, das versteht keiner von uns. Aber sie verstehen es. Die Japaner.«
    Wie seltsam, dachte Tyrer abermals. Dieses kleine Haus, dieser Mann und diese Frau, die halb auf japanisch, halb auf pidgin miteinander plaudern und lachen, sie eine Madam, er ein Kunde, aber beide tun sie, als seien sie etwas anderes. Immer mehr Saké. Dann verneigte sie sich, stand auf und ging.
    »Saké, Phillip?«
    »Danke. Es ist sehr nett hier, nicht?«
    Nach einer Pause gab André zurück: »Sie sind der erste Mensch, den ich hierher mitgenommen habe.«
    »Ach ja? Warum ich?«
    Der Franzose drehte die Porzellantasse in seinen Fingern, trank den letzten Tropfen aus, schenkte sich noch einmal ein und begann dann mit weicher, von Wärme erfüllter Stimme auf französisch: »Weil du der erste Mensch bist, den ich in Yokohama kennengelernt habe, der… Weil du Französisch sprichst, weil du kultiviert bist, weil dein Verstand wie ein trockener Schwamm ist, weil du jung bist, fast nur halb so alt wie ich, eh? Du bist einundzwanzig und nicht so wie die anderen, du bist unverdorben und wirst einige Jahre hier bleiben.« Er lächelte, spann das Netz enger, erzählte nur einen Teil der Wahrheit, modellierte sie nach seinem Belieben: »Du bist der erste Mensch unter meinen Bekannten, der… Alors, obwohl du Engländer und eigentlich ein Feind der Franzosen bist, bist du der einzige, der das Wissen, das ich erworben habe, wirklich verdient hat.« Ein verlegenes Lächeln. »Schwer zu erklären. Vielleicht weil ich immer Lehrer werden wollte, vielleicht weil ich nie einen Sohn hatte, niemals geheiratet habe, vielleicht weil ich bald nach Shanghai zurückkehren muß, vielleicht weil ich Feinde genug habe, und vielleicht… vielleicht, weil du ein guter Freund sein könntest.«
    »Es wäre mir eine Ehre, dein Freund zu sein«, sagte Tyrer prompt, im Netz

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