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Gai-Jin

Gai-Jin

Titel: Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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war noch immer in ihr, die Träume waren noch immer in ihr, seltsame, gewalttätige Träume, erotisch und überwältigend, wundervoll und schmerzhaft und sinnlich und schrecklich, niemals zuvor erlebt, jedenfalls nicht so intensiv. Durch die halb geöffneten Läden sah sie blutrot den östlichen Horizont, an ihm unheimliche Wolkenformationen, die Bildern in ihrem Kopf zu gleichen schienen. Als sie sich bewegte, um sie besser sehen zu können, verspürte sie einen leichten Schmerz in ihren Lenden, schenkte ihm aber keine Beachtung, sondern ließ den Blick auf den Bildern am Himmel ruhen und ihre Gedanken zu den Träumen zurückwandern, die noch immer lockten. An der Schwelle des Schlafs merkte sie, daß sie nackt war. Träge zog sie ihr Nachthemd um sich und das Laken über sich. Und schlief.
    Ori stand neben dem Bett. Er hatte sich soeben erst aus der Wärme gelöst. Seine Ninjakleidung lag auf dem Boden. Und sein Lendentuch. Einen Moment betrachtete er sie, wie sie da lag, genoß ein letztes Mal ihren Anblick. So traurig, dachte er, letzte Male sind so traurig. Dann griff er nach dem kurzen Schwertdolch und zog ihn aus der Scheide.
    Im Zimmer unten schlug Phillip Tyrer die Augen auf. Die Umgebung war ihm unvertraut, dann wurde ihm klar, daß er sich noch immer in der britischen Gesandtschaft in Kanagawa befand und daß gestern ein grausiger Tag gewesen war.
    Die Fenster standen ein wenig offen. Er sah den Morgen anbrechen. »Morgenrot, Schlechtwetterbot.« Ob es ein Unwetter gibt, fragte er sich; dann richtete er sich auf dem Feldbett auf und kontrollierte den Verband an seinem Arm. Als er sah, daß er sauber war und ohne frische Blutflecken, war er zutiefst erleichtert. Von dem Pochen in seinem Kopf und einer gewissen Zerschlagenheit abgesehen, fühlte er sich wieder gesund. »Großer Gott, ich wünschte, ich hätte mich gestern tapferer verhalten.« Er versuchte sich an die Zeit nach der Operation zu erinnern, aber es gelang ihm nur schwer. Ich weiß, daß ich geweint habe. Aber es fühlte sich gar nicht an wie Weinen, die Tränen sind einfach geflossen.
    Mühsam verscheuchte er die düsteren Gedanken, stieg aus dem Bett, stieß die Läden auf und spürte, daß er wieder fest auf den Beinen stand und hungrig war. Aus einem Krug in der Nähe spritzte er sich Wasser ins Gesicht, spülte sich den Mund aus und spie das Wasser in die Büsche im Garten. Nachdem er auch einen Schluck getrunken hatte, fühlte er sich wohler. Der Garten war leer, die Luft roch nach verrotteter Vegetation. Von seinem Platz aus vermochte er einen Teil der Tempelmauer und den Garten zu sehen, sonst aber kaum etwas. Durch eine Lücke zwischen den Bäumen fiel sein Blick auf das Wachhaus und zwei Soldaten. Nun erst merkte er, daß man ihn im Hemd und seiner langen wollenen Unterhose ins Bett gelegt hatte. Der zerrissene, blutgetränkte Gehrock und die Hose hingen über einem Stuhl, die verschmutzten Reitstiefel standen daneben.
    Macht nichts, ich kann von Glück sagen, daß ich am Leben bin. Er begann sich anzukleiden. Was ist mit Struan? Und Babcott? Bald werde ich ihm gegenübertreten müssen.
    Ob ich wohl entlassen werde, fragte er sich, während sich bei dem Gedanken an eine unrühmliche Heimkehr sein Magen verkrampfte; welch ein Unglück, ein Versager und nicht mehr Mitglied von Her Illustrious Majesty’s Foreign Office zu sein, Repräsentant des größten Empire, das die Welt jemals gesehen hat. Was wird Sir William von mir denken? Und was ist mit ihr? Angélique? Zum Glück ist sie nach Yokohama entkommen – wird sie je wieder ein Wort mit mir wechseln, wenn sie es erfährt?
    Großer Gott, was soll ich tun?
    Auch Malcolm Struan war aufgewacht. Einen Augenblick zuvor hatte ihn ein Geräusch von draußen geweckt, obwohl er das Gefühl hatte, schon seit Stunden wach zu sein. Er lag auf dem Feldbett und war sich des Tages und der Operation ebenso bewußt wie der Tatsache, daß er schwer verwundet war und die Möglichkeit bestand, daß er sterben mußte. Jeder Atemzug kostete ihn einen scharfen Schmerz, jede kleinste Bewegung.
    Aber ich werde nicht an die Schmerzen denken, nur an Angélique und daß sie mich liebt, und… Aber was haben die schlechten Träume zu bedeuten? Träume, daß sie mich haßt und hinausgelaufen ist? Ich hasse Träume, ich hasse es, keine Kontrolle über mich zu haben, ich hasse es, hier zu liegen, ich hasse es, schwach zu sein, während ich doch immer stark war, aufgewachsen im Schatten meines Helden, des großen

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