Gai-Jin
geschicktesten Manipulationen, der kostbarsten Salben und Medikamente.
»Sanjiro mag denken, daß er außer Reichweite ist, aber das ist er nicht«, erklärte er energisch. »Denken Sie darüber nach, Yoshi-donno, unser junger, aber ach so weiser Ratgeber, wie man ihn beseitigen kann, sonst könnte nur allzu bald Ihr eigener Kopf auf einem Pfahl stecken.«
Yoshi beschloß, nicht gekränkt zu sein, und lächelte. »Was raten die anderen Ältesten?«
»Die werden mir beistimmen.«
»Wenn Sie kein Verwandter wären, würde ich Ihnen vorschlagen, zurückzutreten oder Seppuku zu begehen.«
»Wie schade, daß Sie nicht Ihr berühmter Namensvetter sind und es mir tatsächlich befehlen können, eh?«
Schwerfällig erhob sich Anjo. »Ich werde anweisen, daß alles verzögert werden soll. Morgen werden wir offiziell über Sanjiro abstimmen…« Zornig fuhr er zu einem Wächter herum, der die Tür geöffnet hatte. Yoshi hatte das Schwert schon halb aus der Scheide gezogen. »Ich habe doch Befehl gegeben …«
Der bestürzte Wachtposten stammelte: »Entschuldigen Sie, Anjo-sama…«
Anjos Wut verrauchte, als ein junger Mann den Wachtposten beiseite stieß und in den Raum gestürzt kam, dicht gefolgt von einem höchstens einsfünfzig großen Mädchen, beide reich gekleidet und übersprudelnd, in ihrem Kielwasser vier bewaffnete Samurai und dahinter eine Matrone und eine Hofdame. Sofort knieten Anjo und Yoshi nieder und beugten den Kopf bis auf die Tatami. Das Gefolge erwiderte die Verneigung. Der junge Mann, Shōgun Nobusada, tat es nicht. Ebensowenig das junge Mädchen, die Kaiserliche Prinzessin Yazu, seine Frau. Beide waren im selben Alter, sechzehn.
»Das Erdbeben hat meine Lieblingsvase zerstört«, erklärte der junge Mann erregt, Yoshi betont ignorierend. »Meine Lieblingsvase!« Er winkte einem Wachtposten, die Tür zu schließen. Seine Wachen und die Damen seiner Frau blieben. »Ich wollte Ihnen mitteilen, daß ich eine großartige Idee habe.«
»Tut mir leid um Ihre Vase, Sire.« Anjos Ton war freundlich. »Sie haben eine Idee?«
»Wir… Ich habe beschlossen, daß wir, meine Frau und ich, wir … ich habe beschlossen, daß wir nach Kyōto reisen, den Kaiser besuchen und ihn fragen, was wir mit den Gai-Jin machen und wie wir sie loswerden können!« Strahlend sah der junge Mann zu seiner Frau hinüber, die fröhlich zustimmend nickte. »Im nächsten Monat – ein Staatsbesuch.«
Anjo und Yoshi hatten das Gefühl, explodieren zu müssen; beide wären am liebsten losgesprungen, um den Knaben für seinen Mangel an Verstand zu erwürgen. Aber beide wahrten die Beherrschung, beide waren an seine schmollende Dummheit und seine Wutanfälle gewöhnt, und beide verfluchten zum tausendstenmal den Tag, an dem die Ehe dieser beiden arrangiert und vollzogen worden war.
»Eine interessante Idee, Sire«, antwortete Anjo zurückhaltend und behielt die junge Frau im Auge, ohne sie direkt zu beobachten, bemerkte, daß ihre Aufmerksamkeit sich nun mehr auf ihn konzentrierte und daß sie zwar mit den Lippen lächelte, mit den Augen aber, wie üblich, nicht. »Ich werde Ihren Vorschlag dem Ältestenrat unterbreiten, und wir werden ihn eingehend beraten.«
»Gut«, sagte Nobusada wichtigtuerisch. Er war ein kleiner, magerer junger Mann, nur einsfünfundsechzig groß, der stets, um größer zu wirken, dicke geta trug, Sandalen. Seine Zähne waren, wie es die Hofmode von Kyōto vorschrieb, hier in Shōgunats-Kreisen aber noch nicht üblich war, schwarz gefärbt. »Drei bis vier Wochen sollten genügen, um alles vorzubereiten.« Mit naivem Lächeln wandte er sich an seine Frau. »Habe ich noch etwas vergessen, Yazu-chan?«
»Nein, Sire«, antwortete sie geziert, »wie könnten Sie etwas vergessen?« Sie hatte ein zartes Gesichtchen, im klassischen Kyōto-Hofstil hergerichtet: gezupfte und statt dessen hochgeschwungene, gemalte Brauen auf kalkweißem Make-up, schwarz gefärbte Zähne, das dichte, rabenschwarze Haar hoch aufgetürmt und mit reich geschmückten Nadeln festgesteckt. Purpurroter Kimono mit einem Muster von Herbstlaubzweigen, dazu ein breiter, goldener Gürtel, der Obi. Die Kaiserliche Prinzessin Yazu, Stiefschwester des Himmelssohnes, seit sechs Monaten mit Nobusada verheiratet, für ihn ausgewählt, als sie zwölf Jahre alt war, im Alter von vierzehn Jahren mit ihm verlobt und ihm mit sechzehn angetraut. »Natürlich ist eine Entscheidung, die Sie treffen, immer eine Entscheidung und kein
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