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Gai-Jin

Gai-Jin

Titel: Gai-Jin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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daß die Nachrichten aus Hongkong schlecht sind? Ayeeyah, am besten, er findet es selbst heraus. »Verstehn.« Er grinste breit und ging hinaus.
    »Chéri?« Automatisch bot sie ihm die Hühnersuppe an.
    »Später, Darling, vielen Dank«, antwortete Malcolm Struan wie erwartet mit sehr schwacher Stimme.
    »Versuch doch mal einen Löffel«, drängte sie wie üblich, und abermals weigerte er sich.
    Wieder zurück zu ihrem Platz am Fenster und zu ihren Tagträumen – sicher wieder zu Hause zu sein, in Paris, in dem großen Haus ihres Onkels Michel und ihrer geliebten Emma, der hochgeborenen englischen Tante, die ihr die Mutter ersetzt und sie und ihren Bruder großgezogen hatte, als der Vater vor so vielen Jahren nach Hongkong ging, ein Leben in Luxus, in dem Emma Luncheons plante und auf ihrem herrlichen Hengst, um den sie alle beneideten, im Bois spazierenritt, die gesamte Aristokratie bezauberte und von ihr verwöhnt wurde, um sich sodann graziös vor Kaiser Louis Napoleon – Napoleon Bonapartes Neffen – und seiner Kaiserin Eugénie zu verneigen, die ihr beide ein Lächeln schenkten.
    Logen in den Theatern, in der Comédie Française, die besten Tische im Trois Frères Provençaux, ihre Großjährigkeit mit siebzehn, das Gesprächsthema der Saison, Onkel Michel, der an den Spieltischen und beim Rennen von seinen Abenteuern erzählte und flüsternd pikante Histörchen über seine aristokratischen Freunde zum besten gab, und seine Mätresse, die Gräfin Beaufois, so wunderschön, verführerisch und hingebungsvoll.
    Alles natürlich Tagträume, denn Onkel Michel war nur ein kleiner Deputierter im Kriegsministerium, und Emma – englisch, gewiß, aber Schauspielerin bei einer reisenden Truppe von Shakespeare-Schauspielern – Tochter eines Angestellten, doch weder mit genügend Geld, um es zu zeigen, was in der Hauptstadt der Welt so wichtig war, noch für das spektakuläre Pferd oder den Zweispänner, der so unbedingt nötig war, wenn man in die wirkliche Gesellschaft hineinkommen wollte, die Oberschicht, wo man jene traf, die heiraten würden und nicht nur für ein paar Monate mit einem gingen, um sich dann eine jüngere zu nehmen.
    »Bitte, bitte, bitte, Onkel Michel, es ist so wichtig!«
    »Ich weiß, mon petit choux«, hatte er traurig gesagt, als sie an ihrem siebzehnten Geburtstag um einen bestimmten Wallach und die dazugehörige Reitkleidung gebettelt hatte. »Mehr kann ich nicht für dich tun, ich kann mir keine Gefälligkeiten mehr erbitten, ich weiß nicht, wen ich noch bedrängen, welche Geldverleiher ich noch überreden könnte. Ich verfüge nicht über Staatsgeheimnisse, die ich verkaufen, oder Prinzen, die ich fördern könnte. Und schließlich müssen wir auch an deinen kleinen Bruder und unsere eigene Tochter denken.«
    »Ach, bitte, lieber, lieber Onkel!«
    »Ich habe eine letzte Idee und genügend Francs für eine bescheidene Überfahrt zu deinem Vater. Ein paar Kleider nur, mehr nicht.«
    Dann wurden die Kleider angefertigt, alle perfekt, dann wurden sie anprobiert und geändert und verbessert, und ja, das grüne Seidenkleid auch noch – Onkel Michel hat sicher nichts dagegen –, danach die Aufregung der ersten Eisenbahnfahrt nach Marseille, Dampfer nach Alexandria in Ägypten, über Land nach Port Said, vorbei an den ersten Bauarbeiten von M’sieur de Lesseps’ Kanal bei Suez. Alle gut informierten Leute glaubten, daß es sich nur wieder um eine aktienfördernde Maßnahme handelte, daß er niemals beendet werden, und wenn, daß er dann einen Teil des Mittelmeers leeren würde, weil das Meer dort höher lag als die Meere weiter unten. Weiter dann, alles erbettelt, erbeten und von Anfang an korrekt erster Klasse: »Der Unterschied ist wirklich so winzig, mein lieber, lieber Onkel Michel…«
    Weicher Wind und neue Gesichter, exotische Nächte und schöne Tage, der Anfang eines großen Abenteuers, und am Ende des Regenbogens ein hübscher, reicher Ehemann wie Malcolm, nun alles verpatzt wegen eines dreckigen Eingeborenen!
    Warum kann ich nicht einfach an das Gute denken, ermahnte sie sich in einem Anfall von Schmerz. Wieso gehen gute Gedanken immer in schlimme über, und dann in sehr schlimme, und wieso fange ich dann immer an, über das nachzudenken, was wirklich geschehen ist, und muß weinen?
    Nicht, befahl sie sich und unterdrückte die Tränen. Nimm dich zusammen. Sei stark!
    Bevor du dein Zimmer verlassen hast, hattest du beschlossen, daß nichts geschehen ist, also wirst du dich völlig

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