Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Personal ist prominent: eine deutsche Meisterin im Judo, ein Polizist, ein stadtbekannter Pleitier und ein Oberstaatsanwalt.«
    Elsäßer stopfte die Pfeife und belichtete die Tabakkrume. »Ein Oberstaatsanwalt?«
    »Dr. Richard Weber heißt er.«
    Elsäßer nahm die Pfeife aus dem Mund. »Weber?«
    »Ja, er hat damals die Anklage gegen Fängele geführt und verloren. Ich weiß nicht, ob Sie mit dem Fall vertraut sind.«
    Elsäßer fuchtelte mit dem Pfeifenstiel ein abkürzendes ›Ich kenne den Fall‹ in die Luft. »Und wer ist dieser Schiller?«
    »Der sportliche Leiter. Ich glaube, dass dieser Weber etwas mit Schillers Frau hat. Sie ist die Judomeisterin.«
    Elsäßer lehnte sich im wippenden Chefsessel zurück. Im Fenster hinter ihm rasten Aprilwolken durch einen blauen Himmel. »Wie lange arbeiten Sie schon bei uns, Frau Nerz? Ein Jahr? Anderthalb? Verstehe. Aber bevor da was erscheint, legen Sie es mir vor. Einverstanden?«
    Ich bereute es sofort. Wie konnte ich mir freiwillig Arbeit aufhalsen, und das unter den kritischen Augen des Chefredakteurs? Dass ich Journalistin geworden war, obgleich man mich nur zur Fremdsprachensekretärin ausgebildet hatte, war ein Grundirrtum meines Lebens.
    Pit Hessler stand an der Kaffeemaschine und rührte drei Stück Zucker in seinen Becher. Er sah aus wie ein Abiturient, den die Hochbegabung zu früh zwischen Brillenbügel und in den Schlips gezwängt hatte. Hinter ihm klapperte das Großraumbüro bis unter die Decke.
    »Du, sag mal«, sprach ich ihn an, »was hat der Elsäßer denn mit diesem Weber?«
    »Mit wem?« Pit hatte auch schon dieses amüsierte Cheflä cheln drauf.
    »Du hast doch mal ein ›Gestatten‹ über ihn geschrieben!«, legte ich nach.
    »Ach, du meinst Richard Weber. Tja, unser Hermann und sein Richard, das sind dicke Tennisbrüder. Treffen sich jeden Samstag im Club auf der Waldau. Weber ist eine richtige Tennissau. Muss immer gewinnen. Ein arrogantes Arschloch, hat aber wirklich was auf dem Kasten. Warum?«
    »Es ist wegen des Toten im Schlachthof.«
    »Doch nicht Weber. Oder gar Fängele? Hat’s den endlich erwischt?«
    »Nein, Schiller. Wie kommst du auf Fängele?«
    Ich konnte grinsende Hochbegabte nicht leiden. »Fängele und Weber«, sagte Pit, »die sind Todfeinde. Da gab es mal einen Prozess.«
    »Ich weiß.«
    »Na, wenn du schon alles weißt …« Pits Hand schwebte erneut über der Zuckerdose.
    »Du hast schon drei drin«, warnte ich ihn.
    Pit tauchte die Finger in die Würfel und ließ einen weiteren in seinen Kaffee plumpsen. »Übrigens, da fällt mir gerade ein, jetzt am Wochenende sind in Stuttgart die German Masters im Bodybuilding. Könntest du dich um die Weiber kümmern?«
    Es artete tatsächlich in Arbeit aus.
    Ich ging zum zentralen Faxgerät. Aber eine Mitteilung der Polizei zum Schlachthoftoten war noch nicht da. Also setzte ich mich mit der Pressestelle der Landespolizeidirektion II in Verbindung. Der Chef selbst war am Apparat. Er hieß Winfried Käfer.
    »Lisa Nerz, Stuttgarter Anzeiger. Guten Morgen.«
    Das zaudernde »Guten Morgen« verriet Käfers Irritation über eine ihm unbekannte Stimme und Person. Als Pressesprecher war ihm das unangenehme Phänomen von Unprofessionalität sehr wohl vertraut, das den Namen Volontärin trug.
    »Ich rufe wegen der Sache im Schlachthof an. Es gibt ja noch keine Presseerklärung.«
    »Sind Sie … eine, äh … sonst spreche ich immer mit …«
    »Pit Hessler hat Namen und Geschlecht gewechselt.«
    Stille.
    »Hat die Polizei eine Nachrichtensperre verhängt?«
    »Wie kommen Sie denn auf die Idee?«
    »Also gut«, sagte ich. »Ich gebe zu, ich bin die Volontärin.«
    Käfer hüstelte. »Was wollen Sie wissen?«
    »Wer hat Schiller ermordet?«
    »Nicht so fix. Von Mord kann vorerst keine Rede sein. Die Indizien deuten zunächst auf einen Unfall hin. Aber wir stehen noch am Anfang der Ermittlungen.«
    »Sehen Sie«, sagte ich, »das ist der Vorteil von Presseerklärungen. Man muss keine Fragen stellen, um etwas zu erfahren, und weiß dann, was es noch zu fragen gibt. Da lese ich dann zum Beispiel: Eine grausige Entdeckung machte gestern Abend um 20 Uhr 45 der Angestellte des Fitnesscenters Schlachthof, Horst Bleibtreu, als er die Sektion mit den freien Gewichten im ersten Stock betrat. Er fand die Leiche des … wie alt war Schiller?«
    »Äh, 38.«
    »Des 38-jährigen Fritz Schiller, der die Funktion des sportlichen Leiters innehatte, unter dem Gewicht von … Wie schwer war das Gewicht, das

Weitere Kostenlose Bücher