Gaisburger Schlachthof
ihn erdrosselt hat?«
»Hundert Kilo.«
»Und wann trat der Tod ein?«
»Schiller war bei Auffindung wohl über einer Viertelstun de, auf jeden Fall aber unter einer Stunde tot.«
»Hat seine Frau, Katrin Schiller, ein Alibi?«
»Die Ermittlungen haben gerade erst begonnen. Ich kann nur noch einmal sagen: Erste Untersuchungen des Fundorts haben zunächst keine Hinweise auf Fremdeinwirkung ergeben.«
»Der Fundort wurde doch abgesichert von … wie heißt der Polizist, der vor Ort war?«
Die Antwort kam widerstrebend: »Kriminaloberkommissar Christoph Weininger.«
»Wer ist eigentlich der ermittelnde Staatsanwalt? Etwa Dr. Richard Weber?«
»Wie kommen Sie denn auf den?«
»Immerhin war auch er gestern Abend im Schlachthof anwesend.«
»Da wissen Sie mehr als ich.«
»Tja«, sage ich, »die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit erfährt halt immer zuletzt, was im eigenen Laden läuft, gell. Herr Käfer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.«
Ich legte auf.
Pit brachte mir die Einladung zu den German Masters im Hegel-Saal der Stuttgarter Liederhalle und einen alten Spie gel-Artikel mit dem Titel »Blond, stark, tot«, der das qualvolle Sterben des 31-jährigen österreichischen Bodybuilders And reas Münzer beschrieb. Zu viele Präparate, zu wenig Kontrolle. Außen schwollen die Muskeln, innen zerfielen die Organe.
Ich begab mich ins Archiv hinab. Die Strategie wollte gut überlegt sein, es musste ein Abgleich der eigenen Faulheit mit der Abneigung Karin Beckers gegen Paulschalaufträge wie »alles über Bodybuilding, Fitness und Gesundheit« gemacht werden. Am besten, man kam der Archivarin mit ganz konkreten Daten und Namen, Katrin Schiller zum Beispiel, Ri chard Weber und Christoph Weininger.
Karin Becker legte die Schere auf die Zeitungen, strich den Rock glatt und sagte: »Was denken Sie sich eigentlich?«
»Das ist ein grundsätzliches Problem.«
Becker lächelte wider Willen und stand auf. »Da haben Sie was über Katrin Schiller. Wollen Sie auch gleich die Mappe Weber? Aber Christoph Weininger? Den Namen habe ich noch nie gehört. Ich weiß nicht, ob ich über den etwas habe.«
Eine Volltextrecherche über Computer war mangels Hardware damals noch nicht möglich.
Ich entnahm der Mappe mit Zeitungsausschnitten, die Be cker mir vorlegte, dass Katrin Schiller jetzt 42 Jahre alt war – älter als ihr Mann – und ihre Meisterschaft in der Gewichtsklasse bis 61 Kilo gewonnen hatte. Mit Ende zwanzig. Zwei Jahre lang hatte sie dann die Damen des Deutschen Judo-Bunds zu internationalen Siegen geführt. Vor sechs Jahren hatte sie die Sportschule Lotus in der Hausmannstraße im Stuttgarter Os ten eröffnet, gar nicht weit weg vom Schlachthof. Die Pleite war unbeachtet von der Presse über die Bühne gegangen.
»Da schauen Sie mal!« Becker legte einen Zehnzeiler aus unserem Polizeitelegramm vor. »Ich wusste doch, da war noch was.«
»Sie sind ein Schatz, Frau Becker! Was für ein Gedächtnis Sie haben!«
Sie nestelte sich eine Haarsträhne in den Dutt zurück, die sich immer hervorstahl, wenn Eifer sie anflog. Die Meldung stammte vom Januar vergangenen Jahres.
»Judolehrerin schlägt Ehemann krankenhausreif.« Die Namen waren abgekürzt worden. »Zu einem Familiendrama kam es am Samstagabend in der Hausmannstraße, als die Ju dolehrerin Katrin S. ihrem Mann mit einer Hantel bewaffnet hinter der Tür des gemeinsamen Sportstudios auflauerte. Nach Polizeiangaben ging sie auf den Ehemann los, als dieser zusammen mit einer 19-jährigen Kundin das im Hof geparkte Auto besteigen wollte. Demnach schlug sie mehrmals mit einer Hantel auf das Auto ein, beschädigte es erheblich und verletzte ihren Ehemann, als dieser einschreiten wollte, an Brust und Armen, so dass er im Krankenhaus behandelt wer den musste.«
»Sieh mal an!«, sagte ich. »Katrin Schiller hat also schon einmal die Beherrschung verloren.« Ich überlegte, ob die 19-jährige Frau in Fritz Schillers Begleitung damals schon Anette geheißen hatte.
»Übrigens«, sage Becker, inzwischen mit roten Wangen, »Sie haben doch gestern nach Fängele gefragt. Da habe ich noch etwas Interessantes gefunden, was den Prozess betrifft.« Sie schlug vor sich auf dem Tisch erneut die Mappe Weber auf. »Da tauchten nämlich schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden auf, und zwar im Spiegel . Der Tipp kam wohl aus Stuttgart. Es ging um den Buchprüfer, Hans Stenzel. Er hat im Prozess sein Geständnis widerrufen, mit dem er zuvor Fängele als
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